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Archiv-Artikel

Lieben lernen

Wie sollen wir der Welt gefallen, wenn wir uns selbst nicht mögen? Kurz vor dem Beginn der Fußball-WM sollen die Deutschen sich selbst und ihr Land endlich mal gut finden. Das ist gar nicht so einfach

VON DAVID DENK

Halten Sie sich gut fest! Durch Deutschland soll nämlich ein Ruck gehen. Mal wieder.

Wenige Wochen vor der WM im eigenen Land will Deutschland endlich stolz auf sich sein, weiß aber beim besten Willen nicht, wie das gehen soll. Und genau deswegen machen wir Deutschen alles falsch. Anstatt uns damit abzufinden, dass unser Brot gut ist, unsere Laune aber meist schlecht – man kann eben nicht alles haben! –, versuchen wir, uns Selbstbewusstsein zu verordnen. Das Ergebnis heißt „Du bist Deutschland“ und spiegelt genau die Verkrampftheit wider, mit der in Deutschland an einer nationalen Identität gewerkelt wird, die zwar schick aussieht, aber nicht zu uns passt. Leider ist „Du bist Deutschland“ kein Einzelfall.

Am Sonntagabend feierte in Berlin das Buch „Das Beste an Deutschland“ Premiere. Darin werden 250 Persönlichkeiten, Gebäude, Landschaften, Eigenschaften, Feste, Veranstaltungen, Waren und Produkte porträtiert, „auf die wir auch ein bisschen stolz sein können“. Das Zitat stammt von Verleger und Herausgeber Florian Langenscheidt – und entlarvt die Initiative als Rohrkrepierer. Aus der Formulierung „auch ein bisschen“ spricht die Angst vor „tumbem Nationalstolz“, mit dem Langenscheidt natürlich nichts zu tun haben will, wie er präventiv betont. „Ein starker Baum braucht kräftige Wurzeln“, sagte er bei der Buchpremiere. Diese heißen laut Entscheidung der selbstverständlich hochkarätig besetzten Jury unter anderem Oktoberfest, Mercedes, Claudia Schiffer, Mauerfall, Reichtagsverhüllung, Autobahn und Zwieback.

Das peinliche Buch wird übrigens in allen deutschen Botschaften und Goethe-Instituten ausgelegt. Bleibt zu hoffen, dass die ausländischen Leser diese krude Mischung nicht wirklich für Deutschland, geschweige denn „Das Beste an Deutschland“ halten. Sonst stornieren sie womöglich noch ihre Reise zur Fußball-WM – und die soll doch unsere Wirtschaft ankurbeln.

Glücklicherweise haben die Gäste auch nicht „Sabine Christiansen“ von Sonntagabend gesehen. Thema war „Hurra Deutschland?“. Um die Frage direkt zu antworten: natürlich nicht. Arme Sabine Christiansen! Eine Woche nach ihrem Plausch mit George W. Bush über die große weite Welt musste sie sich wieder mit „deutschem Mäusekino“ beschäftigen, wie der ausrangierte FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt die Diskussion abkanzelte, an der er selbst teilnahm. Ist das typisch deutsch? Wahrscheinlich schon.

Nabelschau, Jammerrepublik, Neiddebatte, Reformunfähigkeit, Politikverdrossenheit, Steuerhöhung (mit und ohne Mehrwert-), soziale Gerechtigkeit, Kinderlosigkeit, Reichensteuer, Stimmungstief, Konjunkturflaute, Miesepetrigkeit, Arbeitslosigkeit, deutsche Mentalität, Panikforscher – die Sendung quoll über vor hässlichen deutschen Wörtern und machte allein schon deswegen schlechte Laune. Doch zum Glück gab es auch gute Neuigkeiten: Rechtzeitig zur WM im eigenen Land kehrt Altstar Mario Adorf nach 40 Jahren Italien in seine Heimat zurück. Und warum? „Das ist ein wunderschönes Land. Ich liebe es.“ Ist es typisch deutsch, zu denken, dass seine Rückkehr auch damit zu tun haben könnte, dass hierzulande die medizinische Versorgung einfach besser ist? Wahrscheinlich schon.

Der einzige Lichtblick in der Runde war mal wieder Harald Schmidt, der an seiner Rolle gut verdient – und als freiberuflicher Spiegel deutscher Befindlichkeiten noch nicht mal Reichensteuer zahlen muss. Leider lachten alle. Sie hielten es wohl fälschlicherweise für einen Witz, als er sagte: „Wir sind das schlechtgelaunteste Volk der Welt und das ist gut so … Am anstrengendsten sind die Deutschen, wenn sie gut drauf sind und bei Minusgraden draußen Latte Macchiato trinken.“ Oder nur weil demnächst Besuch kommt, die komplette Wohnung umbauen, damit die Gäste es schön haben. Dumm nur, dass das Ergebnis nicht zu den Gastgebern passt – und auch die Gäste sich nicht wohl fühlen.

Auch die Zeitschrift Max … – ach, lassen wir das! Bringt doch eh alles nix. Gehen wir lieber in unseren Schrebergarten, trinken Bier und grillen eine Bratwurst.