Der Plan ist hin

KONFERENZ Der Bundesfinanzminister muss sich mit der Finanztransaktionssteuer anfreunden

Verbot: Die BaFin hat ungedeckte Leerverkäufe von Staatsanleihen der Eurozone untersagt. Bei derartigen Geschäften verkauft ein Investor einem anderen eine Aktie oder Anleihe, die er gar nicht besitzt. Der Preis beträgt beispielsweise 100 Euro pro Stück. Zugleich wird ein Liefertermin vereinbart, der meist wenige Tage später liegt. Dahinter steht die Hoffnung, dass der Kurs des Papiers zwischenzeitlich fällt. Dann kann der Investor die Papiere zu einem günstigeren Preis kaufen (beispielsweise 90 Euro) und weiterreichen. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufpreis ist der Gewinn des Investors.

Kritik: Der deutsche Alleingang beim Verbot von Leerverkäufen hat Kritik bei den europäischen Partnern ausgelöst. Die französische Finanzministerin Christine Lagarde zeigte sich irritiert, der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero stellte sich hinter die deutsche Entscheidung. EU-Finanzregulierungskommissar Michel Barnier mahnte, „eine Aufsplitterung innerhalb der EU und global“ müsse verhindert werden. Der Euro jedenfalls setzte seine Talfahrt fort. (hk, rtr, apn)

BERLIN taz | Seit Beginn der Finanzkrise sprach die Bundesregierung davon, die Märkte einzuhegen. Mit der vorübergehenden Beruhigung der Krise schien der politische Eifer zu erlahmen. Nun muss plötzlich vieles wieder ganz schnell gehen. So steht bei der internationalen Finanzmarkt-Konferenz, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble heute in Berlin veranstaltet, nicht mehr die kleine Bankenabgabe, sondern die umfangreiche Besteuerung der Investoren im Mittelpunkt.

Schäubles ursprünglicher Plan sah anders aus. Bei der Konferenz, an der auch EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier und die französische Finanzministerin Christine Lagarde teilnehmen, wollte Schäuble eigentlich für die Idee einer begrenzten Bankenabgabe werben. Die Finanzinstitute würden damit verpflichtet, relativ kleine Summen in einen Versicherungsfonds einzuzahlen, um für künftige Krisen vorzusorgen. Der Finanzminister wollte die Berliner Konferenz als Etappe auf dem Weg zum Gipfel der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen Ende Juni in Toronto nutzen und die bei der Bankenabgabe zögerliche kanadische Regierung zum Einlenken bewegen.

Die öffentliche Debatte über die Beinahe-Pleite Griechenlands hat diesen Plan allerdings über den Haufen geworfen. Zu seinem Leidwesen sieht Schäuble nun die Position der französischen Finanzministerin gestärkt, die sich bereits früher für die weitergehende Besteuerung der Banken eingesetzt hat. Auch im Kreis der europäischen Finanzminister ist die Finanztransaktionssteuer, die in Europa 100 Milliarden Euro pro Jahr oder mehr einbringen könnte, auf der Agenda weiter nach oben gerutscht. Das ist unter anderem auf den Druck kleinerer EU-Mitglieder wie Österreich zurückzuführen.

Währenddessen hat die deutsche Bankenaufsicht (BaFin) eine ganze Kategorie spekulativer Transaktionen verboten. Einstweilen bis zum 31. März 2011 dürfen Investoren keine ungedeckten Leerverkäufe für Staatsanleihen der Eurozone mehr tätigen. Bei diesen Geschäften haben Investoren bislang Anleihen beispielsweise Griechenlands verkauft, die sie gar nicht besaßen (siehe Kasten). Viele ExpertInnen hegen den Verdacht, dass durch die Wetten der Kurs der Staatsanleihen stark sank. Umgekehrt seien die Zinsen gestiegen, die Griechenland für seine Verschuldung zahlen musste. Im Ergebnis hätten die Investoren das Mittelmeerland an den Rand des Staatsbankrotts getrieben.

Die BaFin begründete das Verbot am späten Dienstagabend unter anderem damit, dass die gefährlichen Geschäfte mittlerweile auch andere Euro-Staaten wie Spanien und Portugal bedrohten. Außerdem untersagte die Anstalt ungedeckte Leerverkäufe von Aktien unter anderem der Deutschen Bank, der Commerzbank und der Allianz-Versicherung. Da diese Institute große Mengen Staatsanleihen gefährdeter Länder halten, könnten auch ihnen Spekulationsattacken drohen.

Bereits absehbar ist, dass diese Eingriffe nicht die letzten sein werden. EU-Binnenmarktkommissar Barnier kündigte bereits an, dass auch die Rating-Agenturen einen strengeren Rahmen erhalten sollen. Die Agenturen, deren oft falsche Bewertungen für die Bankenkrise mitverantwortlich waren, müssen sich zwar ab diesem Jahr bei der Finanzaufsicht registrieren lassen. Weil die Rating-Firmen mit ihren Bonitätsgutachten aber auch die Staatsanleihen verschuldeter Staaten unter Druck setzen, reicht die bloße Registrierung manchen Politikern nicht mehr aus. HANNES KOCH