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Archiv-Artikel

Gimpl Beinisch ist ein Loser

COMIC-AUSSTELLUNG Im Jüdischen Museum zeigt die Schau „Helden, Freaks und Superrabbis“, wie die verschiedenen Facetten jüdischen Humors ihren Niederschlag in Comics, Satiremagazinen und TV-Sitcoms gefunden haben

Alle Superheldencomics sind Erfindungen von US-amerikanischen Juden

VON ANDREAS HARTMANN

Superman scheint auf einem Patrouillenflug vom Weg abgekommen zu sein. Neben dem Eingang ins Jüdische Museum ist er gelandet, kopfüber, direkt auf den Boden geknallt. Das war wohl selbst für den Stählernen zu viel. Um seinen Schädel hat sich eine kleine Blutlache gebildet. Hinter der grotesken Plastik wurde ein Schild angebracht, auf dem zu lesen ist: „Auch Helden haben schlechte Tage …“

Scherze mit Superhelden – das werden wir im Lauf der Ausstellung „Helden, Freaks und Superrabbis“ noch lernen – waren auch eine der Geschäftsgrundlagen von Mad. Das Satiremagazin erschien erstmals 1952 und kultivierte Respektlosigkeit in alle Richtungen in damals beispielloser Manier. Die Satire „Superduperman“ in Mad gilt gar als einer der Gründe für den Durchbruch der Zeitschrift. Mad wird von den Ausstellungsmachern als eines der Zentralorgane der „jüdischen Farbe des Comics“ angesehen, der sich die feine kleine Ausstellung widmet. Typisch jüdischer Humor und sein Hang zum Tabubrecherischen, dafür steht Mad bis heute, obwohl das Magazin seine Glanzzeit längst hinter sich hat.

Aber gibt es das überhaupt: typisch jüdisch? Das ist eine diffizile Frage. Sind TV-Sitcoms wie „Seinfeld“ oder „Curb Your Enthusiasm“ nun typisch jüdisch oder einfach nur typisch amerikanisch? Wie weit her ist es beispielsweise wirklich mit den „jüdischen Wurzeln im Punk“, die der Musikjournalist Steven Lee Beeber in seiner 2008 auf deutsch erschienenen Studie „Heebie Jeebies im CBGG’s“ ausgemacht haben will?

Die Ausstellung im Jüdischen Museum behauptet dann aber auch gar nicht, dass der Comic, diese in den USA des 20. Jahrhunderts groß gewordene Kunstform, gar eine jüdische Erfindung ist. Zu weit gestreut wären auch die Ursprünge dieses Mediums, die für manche bis zu den frühen Höhenmalereien zurückreichen. Oder die zumindest bis auf Wilhelm Busch zurückgehen, der selbst nicht frei war von antisemitischen Tendenzen.

Es wird in der Ausstellung einfach chronologisch die Entwicklungsgeschichte des US-amerikanischen Comics durchwandert. Dabei wird untersucht, wo und unter welchen Bedingungen sich die Tatsache niederschlägt, dass entscheidende Entwicklungen im Medium immer wieder von Juden eingeläutet worden sind. Das geht los bei den sogenannten „Funnies“. Das waren Strips, die in US-amerikanischen Zeitungen schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschienen, und in denen Figuren wie „Gimpl Beinisch“ oder „Abie The Agent“ das Leben der aus Europa in die USA immigrierten Juden persiflieren, die sich, aus ihrer Schtetl-Welt kommend, plötzlich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zurechtfinden müssen. Der Außenseiter und Loser als Held, das ist eine Entwicklung, die sich der Comic bis heute als Merkmal bewahrt hat.

Ganz besonders augenfällig wird das Jüdische in den Superheldencomics. All diese bis heute in Filmen und überhaupt in der Populärkultur quicklebendigen Geschöpfe mit Superkräften – Spiderman, Superman, der Hulk oder die fantastischen Vier – sind Erfindungen US-amerikanischer Juden, ausgedacht von Visionären wie Jerry Siegel, Joe Shuster oder Jack Kirby. Einerseits sind diese Figuren so amerikanisch wie McDonald’s, echte Patrioten, was sich auf das Bedürfnis ihrer Schöpfer zurückführen lässt, auch als Juden einfach nur Amerikaner sein zu wollen. Interessant ist es dennoch zu sehen, wie diese US-amerikanischen Unbesiegbaren für den Kampf gegen Nazideutschland eingesetzt wurden, der für jüdische US-Amerikaner dann doch noch etwas anderes bedeutete als für die Mehrheitsgesellschaft. Superman, Captain America und Batman, sie alle richteten sich in diversen Comicstrips an die US-Bevölkerung, um sie gegen die Nazis zu mobilisieren. Diese wurden zum Teil schon als bösartiger Feind ausgemacht, bevor die Vereinigten Staaten in den Krieg eingetreten sind.

Horror und Fantasy

Nach den Superhelden war die nächste Entwicklung innerhalb des Mediums Comic das „Schundheftchen“ mit seinen Horror- und Fantasygeschichten. Auch hier waren Juden federführend, speziell in dem jüdisch-amerikanischen Verlag EC, in dem später auch Mad erscheinen sollte. Warum es immer wieder Juden waren, die in den USA mit verschrobenen Ideen auch geschäftlichen Erfolg hatten, lässt sich wohl unter anderem damit erklären, dass auch in den USA Antisemitismus eine Rolle spielte und spielt. Wer da beispielsweise seinen eigenen Comicverlag gründet, hat sich mit diesem Problem nicht weiter herumzuschlagen.

Von Mad ist es dann nur noch ein kurzer Weg zur Comickultur, wie sie heute immer stärker in den Feuilletons Anklang findet. Art Spiegelman, ein Mad-Fan, entwirft in den frühen Siebzigern das Konzept, aus dem „Maus“ entstehen soll. Dieser einflussreiche Comic schafft es, das Grauen des Holocaust mit Hilfe von Sprechblasen darzustellen, und steht paradigmatisch für den modernen Comic.

■ „Helden, Freaks und Superrabbis. Die jüdische Farbe des Comics“. Jüdisches Museum. Bis 8. August. Mo. 10–22 Uhr, Di.–So. 10–20 Uhr