: Das Rostkreuz wird Drehscheibe und Glaspalast
Für 350 Millionen Euro wird das Ostkreuz in den kommenden Jahren zum Regionalbahnhof umgebaut. Die Fahrgastzahl soll deutlich steigen
Der Umbau des Bahnhofs Ostkreuz ist eine beinahe unendliche Geschichte: Schon in den 1970er-Jahren wollte die Ostberliner Regierung den Verkehrsknoten sanieren. Damals scheiterte das Vorhaben jedoch am Geldmangel. Heute gibt es zwar endlich ein Finanzierungskonzept, doch die Bauplanung ist auch gut anderthalb Jahrzehnte nach der Wende noch nicht abgeschlossen.
Gebaut werden kann erst, wenn der Planfeststellungsbeschluss vom Eisenbahnbundesamt in Bonn vorliegt. Noch bis Mitte dieses Jahres würden die rechtlichen Grundlagen für den Umbau geschaffen, heißt es vom Rhein. Sobald der Beschluss kommt – eine Art Baugenehmigung –, sollen die Aufträge europaweit ausgeschrieben werden. Drei Monate später könnten dann die ersten Arbeiten an dem maroden Verkehrsknoten an der Bezirksgrenze von Friedrichshain und Lichtenberg beginnen.
350 Millionen Euro wollen der Bund, die Bahn und Berlin in das Verkehrsprojekt investieren. Mit dem Umbau sollen alle S-Bahnen, die auf der Ost-West-Route verkehren, von Linien- auf Richtungsbetrieb umgestellt werden. Damit will die Bahn das Umsteigen erleichtern. Denn künftig werden an einem Bahnsteig nur noch Züge stadteinwärts fahren, an einem zweiten Bahnsteig sollen Züge halten, die stadtauswärts fahren. Das ewige Raten, von welchem Bahnsteig der nächste Zug Richtung Alexanderplatz fährt, hat dann ein Ende. S-Bahnen, die über die Südkurve aus Treptow Richtung Stadt fahren, sollen künftig nicht mehr am Ostkreuz halten.
Komplett neu gebaut werden zwei Regionalbahnsteige: Einer neben dem S-Bahnsteig der Ringbahn, der zweite für die Strecke nach Frankfurt (Oder). Durch den Umbau des Bahnhofs für den Regionalverkehr rechnet die Bahn mit einer starker Steigerung der Fahrgastzahlen: Das neue Ostkreuz ist auf eine Kapazität von täglich 230.000 Fahrgäste ausgelegt; momentan nutzen rund 140.000 Menschen den Bahnhof.
Über den Ringbahnsteigen soll laut Planung eine riesige Glashalle entstehen: 132 Meter lang, 79 Meter breit und 15 Meter hoch. „Für den Regionalbahnsteig ist das vollkommen überdimensioniert, wenn dort nur einmal pro Stunde ein Zug hält“, kritisiert Christfried Tschepe vom Fahrgastverband IGEB die Planung. Auch die Bahn will die Größe des Glaspalastes noch einmal überdenken: „Wie die Halle genau aussehen wird, ist noch unklar“, sagt ihr Sprecher Michael Baufeld.
Nach dem Umbau soll der Bahnhof auch endlich für Behinderte zugänglich sein, die wegen fehlender Fahrstühle am Ostkreuz bislang kaum umsteigen können. In Zukunft sollen 17 Rolltreppen und zehn Fahrstühle die beiden Ebenen des Bahnhofs miteinander verbinden.
Acht Jahre plant die Bahn für den Umbau, denn sämtliche Arbeiten sollen bei laufendem S-Bahn-Betrieb stattfinden. „Deshalb können wir nur in sehr kleinen Schritten bauen“, sagt Baufeld. Ganz ohne Wochenend-Sperrungen einzelner Linien wird die Bahn allerdings nicht auskommen.
Begonnen haben vorbereitende Arbeiten schon im Januar: Für eine neue Kabeltrasse wurden Bäume und Sträucher entfernt. Bis zum Herbst soll außerdem eine provisorische Brücke über den S-Bahn-Gleisen aufgestellt werden. Hintergrund ist, dass die historische, 1923 entstandene Fußgängerbrücke nach dem Planfeststellungsbeschluss zuerst abgebaut und dann – auf Wunsch der Denkmalbehörde – saniert und wieder aufgebaut werden soll. Auch der historische Wasserturm bleibt erhalten.
Im ersten Schritt der Bauphase wird die Kynaststraßenbrücke neben den Gleisen der Ringbahn neu gebaut, dann sollen die alte Brücke abgerissen und die Ringbahnsteige umgestaltet werden. Ob das ambitionierte Projekt tatsächlich in acht Jahren umgesetzt werden kann, darauf will sich die Deutsche Bahn allerdings nicht festlegen: „Wie viel Zeit der Umbau letztlich in Anspruch nehmen wird, hängt von den Ergebnissen des Planfeststellungsverfahrens, von logistischen und betrieblichen Rahmenbedingungen ab“, so die vage Umschreibung in der Info-Broschüre zum neuen Ostkreuz.
Ohnehin wird beim Umbau des Bahnhofs schon der Grundstein für das nächste Verkehrsgroßprojekt in Berlin gelegt. Unter den Gleisen soll eine riesige Betonplatte eingezogen werden, die später einmal als Dach des geplanten Autobahntunnels zwischen dem Dreieck Neukölln und der Frankfurter Allee dienen könnte. Wann der Tunnel einmal gebaut wird, ist allerdings noch völlig offen. Zudem ist das Projekt schon heute umstritten: „Ich halte das für eine falsche Weichenstellung in der Verkehrspolitik“, sagt Tschepe. „Eine Autobahn hat in der Innenstadt nichts zu suchen.“
MARTIN REISCHKE