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Archiv-Artikel

Die Farm, die Pipeline und das „öffentliche Interesse“

PIPELINE STORIES Julia Trigg Crawford suchte einst als Headhunterin Führungskräfte für Unternehmen, jetzt verteidigt sie ihre Farm gegen die Keystone XL

Entlang der Keystone XL

■ Der Anlass: US-Präsident Barack Obama will in diesem Jahr entscheiden, ob die Keystone XL Pipeline der Firma TransCanada gebaut werden darf.

■ Die Pipeline: Über 3.462 Kilometer soll Teersandöl aus Kanada in texanische Raffinerien transportiert werden.

■ Die Serie: Unsere US-Korrespondentin sucht die Geschichten entlang des Pipelineverlaufs.

■ Zuletzt erschienen: „In grau-roten Cowgirlstiefeln gegen Big Oil“ (3. 9.), „Keystone und Koch-Brüder: An Kansas führt kein Weg vorbei“ (1. 10.), „Die Männer, das Öl und die Stadt“ (5. 10.), „Und plötzlich kamen die Erdbeben“ (17. 10.)

AUS PARIS, TEXAS, DOROTHEA HAHN

Wer Julia Trigg Crawford auf ihrer Farm bei Paris, im Nordosten von Texas, besucht, geht zu einem Shooting-Termin. Wird fotografiert und gefilmt. Nicht von der Gastgeberin. Sondern von zwei Männern in signalfarbenen Westen, die auf der unwillkommenen Baustelle auf ihrem Land auf und ab patrouillieren.

Die beiden arbeiten für Michels Pipeline, ein Subunternehmen von TransCanada. Weshalb sie die Aufnahmen machen? „Für den Fall, dass etwas passiert, brauchen wir eine Dokumentation“, sagt ein Mann aus Tulsa. Er stellt sich als „Inspektor“ vor. Und sagt: „Ich weiß nicht, ob ich für oder gegen die Pipeline bin“.

Schon in den Wochen, bevor TransCanada im Mai damit begonnen hat, den Boden auf dem beschlagnahmten Korridor auf der Red Arc Farm aufzureißen, wurde Julia Trigg Crawford auf ihrem eigenen Land auf Schritt und Tritt beobachtet und fotografiert. Die selbstbewusste Texanerin hatte das Geld von TransCanada abgelehnt und sich öffentlich gegen die Keystone XL ausgesprochen. Offenbar befürchteten die Pipelinebauer Demonstrationen. Rund 100 Kilometer weiter südlich, in Winnsboro, hatten „Treesitter“ Baumhäuser auf der geplanten Pipeline-Trasse gebaut und bezogen. Ende vergangenen Jahres blockierten sie darin wochenlang die Bauarbeiten (vgl. taz vom 5. 1. 2013).

Aber Julia Trigg Crawford geht anders vor. Sie gibt eine archäologische Studie in Auftrag. An Stellen, von denen TransCanada behauptet hatte, sie wären „leer“, findet ihr Archäologe indianische Begräbnisstätten, Schmuck und Töpferei. Und sie zieht vor Gericht.

Sie ist eine erfahrene Geschäftsfrau. Hat jahrelang in Houston als „Headhunterin“ gearbeitet und Führungskräfte für große Konzerne gesucht und angeheuert, darunter auch für die Ölindustrie. Ende des letzten Jahrzehnts – und nach einer Scheidung – steigt sie in Houston aus, um ein ganz anderes Management zu übernehmen: die Leitung der Familienfarm im Nordosten von Texas, mit Rindern und Pferden, Mais und Soja.

Kaum hat sie umgesattelt, wird bekannt, dass TransCanadas Pipeline über ihr Land führen soll. Statt sich in die Landwirtschaft zu stürzen, wird die 54-Jährige zu einer „akzidentellen Aktivistin“. Sie schreibt einen Blog (http://www.standtallwithjulia.com), sie sammelt Geld für ihren Rechtsstreit, sie organisiert ein Open-Air-Konzert unter den Eichen auf ihrem Land, sie reist zu Hearings in die texanische Hauptstadt Austin und sie wird – im Sommer 2011 – bei einer nationalen Demonstration gegen die Keystone XL vor dem Weißen Haus in Washington festgenommen.

Je aktiver sie ist, desto länger wird ihre Liste von Anliegen. Anfangs will Julia Trigg Crawford „nur“ ihr Land verteidigen. „Ich bin die Verwalterin dieses Landes“, sagt sie, „wieso sollte ein ausländisches Unternehmen das Recht haben, darauf ein Projekt zu seiner Bereicherung zu bauen?“

In Texas bekommt man leichter eine Pipeline genehmigt als einen Schönheitssalon

Dann fällt ihr auf, dass jene, die das Recht auf Privateigentum so vehement verteidigen, anders argumentieren, wenn es um Öl geht. Sie lernt etwas über die Gefahren der Ölpest für Land und Wasser. Sie findet die ersten Unterstützungsbriefe und kleine und großen Geldsendungen in ihrem Briefkasten, und ist zu Tränen gerührt. Und dann versteht sie, dass es in Texas einfacher ist, eine Genehmigung für eine Ölpipeline zu bekommen als einen Schönheitssalon zu eröffnen. „Man muss lediglich auf dem Antrag bei der Texas Railroad Commission ankreuzen, dass die Pipeline im öffentlichen Interesse ist“, sagt sie: „Niemand überprüft das. Es basiert auf Vertrauen.“

Ende August weist ein Berufungsgericht in Texas die Klage der Crawford-Familie zurück. Aber Julia Trigg Crawford will nicht aufgeben. Sie will vor das Oberste Gericht von Texas ziehen, um nachzuweisen, dass TransCanada nicht im öffentlichen Interesse des Bundesstaates Texas liegt.

„Viele meinen, dass es eine Torheit ist, gegen Big Oil zu kämpfen und dass ich meine Zeit verschwende“, sagt sie, „aber ich werde meine Prinzipien verteidigen. Auch wenn es langwierig und schwer ist.“