: Vom Leben nach der Shoah
GEDENKEN SchülerInnen haben Zeitzeuginnen der Shoah zur „Nacht der Jugend“ eingeladen und diskutierten mit PolitikerInnen über den Doppelpass
Einmal im Jahr erinnern Bremer SchülerInnen auf der „Nacht der Jugend“ an die Reichspogromnacht vor 75 Jahren. Als Ehrengäste waren diesmal die jüdischen Zeitzeuginnen Rita Medvedeva und Tsirel Galina Kisel eingeladen: Sie haben den deutschen Überfall auf die Sowjetunion in der Ukraine überlebt und erzählten den Jugendlichen von ihrem Leben und der Entscheidung, in den 90er-Jahren nach Bremen zu ziehen.
Dabei ging es ihnen nicht nur um die Shoah, sondern auch um ganz alltägliche Fragen nach Heimat und dem Leben in der Fremde. Die Jugendlichen hörten aufmerksam zu. Viele haben eigene Migrationsgeschichten: „Das sagt Papa genauso“, flüstert eine junge Muslimin im Publikum.
Auch ganz konkrete politische Fragen standen auf der Tagesordnung: In kleiner Runde wurde zum Beispiel die Rolle der EU als wirtschaftlichem Bündnis mit sozialer Verantwortung diskutiert. Anschließend hatten SchülerInnen der Gesamtschule Ost Politprominenz zu Gast: Die Bundestagsabgeordneten Elisabeth Motschmann (CDU) und Carsten Sieling (SPD) sowie die Migrationspolitische Sprecherin Bremer Grünen, Zahra Mohammadzadeh, sprachen mit migrantischen SchülerInnen über den Doppelpass und die Optionspflicht. Danach müssen sich Jugendliche mit Vollendung des 18. Lebensjahres für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Tun sie das nicht rechtzeitig, droht die Ausbürgerung.
Die SchülerInnen protestieren schon lange gegen diese Regelung und haben eine Broschüre erarbeitet, die inzwischen auch von anderen Schulen als Unterrichtsmaterial verwendet wird (taz berichtete). Mit der Diskussion wollten sie nun nach Berlin in die Koalitionsverhandlungen hinein wirken. Die Abgeordneten zeigten sich beeindruckt vom Engagement der SchülerInnen. Grüne und SPD sind für die Abschaffung der Optionspflicht, in der CDU ist die Frage umstritten. Entsprechend schwer hatte es Motschmann: Sie verstehe die Situation der Betroffenen und werbe in der CDU-Fraktion für die Position der SchülerInnen. Sie könne aber nicht in Konfrontation zu ihrem eigenen Wahlprogramm gehen.
Das Rathaus war voll: Rund 2.000 BesucherInnen drängten sich auf den Fluren und in den Veranstaltungsräumen. Viele von ihnen hatten sich monatelang auf den Abend vorbereitet, denn sie machen fast alles selbst: Das inhaltliche Programm, aber auch Catering und Reinigung, wurden von Schülerfirmen organisiert, auch die Acts: In der oberen Halle des Rathauses ließ Rapper Nosliw den Boden des Weltkulturerbes am späten Abend wortwörtlich beben.JAN-PAUL KOOPMANN