WO IST MARTENSTEIN? : Kacka kommt
Ich muss Fup hinterherlaufen wie der Hund seinem Herrchen. Er geht zum Biobäcker. Als ich dort ankomme, hat er schon seine Laugenstange in Empfang genommen. Die Verkäuferin will sie gerade einer Frau berechnen, die als Nächstes drankommt. Ich treffe schon wieder nicht Harald Martenstein. Seit er mal in der Zeit geschrieben hat, ich hätte ihn nicht gegrüßt, gucke ich immer, ob er in der Schlange vor dem Biobäcker steht.
Dafür sehe ich aber jede Menge Franzosen und Engländer, die ich nicht verstehe. Ich hätte nicht gedacht, dass ich 40 Jahre später immer noch bereuen würde, in der Schule nicht besser im Englischunterricht aufgepasst zu haben. Andererseits ist es gar nicht so schlecht, die Leute nicht zu verstehen. Das wird mir klar, als ich Fup gegenüber im Brandi verschwinden sehe. Die Frau hinter dem Tresen hat Fup bereits eine Orangina gegeben, als ich komme. Im Brandi ist Harald Martenstein auch nicht, aber mal jemand, den ich verstehe, weil er auf sein Smartphone guckend zu seinem Gegenüber sagt: „Im März? Das ist schlecht, da bin ich in Elternzeit. Da würde ich ungern Termine machen.“
Im März? Das ist ein halbes Jahr hin. Ich hab noch nicht mal einen Termin für nächste Woche. Nicht mal einen Terminkalender, und Elternzeit hatte ich auch nie. Ich fühle mich hoffnungslos im Hintertreffen. Ich glaube, ich bin desorganisiert. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur neidisch auf den Termin im März. Fup hat auch einen Kommentar. Er sagt, er muss Kacka. Also gehe ich mit ihm auf die Toilette und helfe ihm auf die Kloschlüssel. Dann sieht er zwischen seine Beine hindurch und sagt: „Gleich kommt die Kacka. Da, ich seh sie schon.“ Schön, denke ich. „Siehst du sie auch?“ Ich sage, ich würde sie auch sehen. Dann geht Fup zurück in den Raum mit den frühstückenden Zeitungslesern und ruft: „Ich hab Kacka gemacht.“ Alle kichern. Sogar die Franzosen. KLAUS BITTERMANN