„Lieber ein Stofftier schenken“

GESCHENKE Ein Tierbaby zu Weihnachten lässt Kinderaugen leuchten. Doch schon nach den Feiertagen sind viele neue Halter überfordert und in der Folge die Tierheime überfüllt

■ 53, hat Tierpflegerin und Bürokauffrau gelernt und ist heute die Leiterin des Tierheims Hannover. Sie hat selbst zwei Hunde, vier Katzen und einige Vögel – die waren aber keine Weihnachtsgeschenke, sondern sind Tierschutztiere.

INTERVIEW ANDREA SCHARPEN

taz: Frau Peterek, was kann an Weihnachten schöner sein, als seinen Kindern einen tierischen, neuen Freund zu schenken?

Doris Peterek: Alles. Zu Weihnachten sollte man um Gottes Willen keine Tiere verschenken! Warum?

Es ist einfach der verkehrte Zeitpunkt. An den Feiertagen herrscht zu viel Trubel. Verwandte kommen zu Besuch, die Kinder sind aufgeregt, man hat keine Zeit für einen kleinen Hund, eine Katze oder einen Goldhamster. Für die Tiere ist der Stress groß. Wenn man sich zum Beispiel einen Welpen anschafft, der gerade frisch von seiner Mami und den Geschwistern getrennt wurde, braucht der im neuen Zuhause ganz viel Ruhe, Zuwendung und Zeit. Den kann man nicht eben mal zwischen Weihnachtsbaum schmücken und Festessen mit Schleife um den Hals ins Wohnzimmer setzen. Die Anschaffung eines Haustiers braucht eine ganz lange Vorlaufzeit und eine gute Vorbereitung, sonst sind die neuen Halter am Ende überfordert.

Und dann landen die Tiere nach Weihnachten bei Ihnen im Tierheim?

Einige schon nach den Feiertagen. Dann merken die Leute, dass das Tier nicht in ihren Alltag passt. Ein Hund muss raus und auch eine Katze will beschäftigt werden. Meistens machen die sogenannten Weihnachtsgeschenke aber erst die Runde, bevor sie im Tierheim landen. Die unüberlegt angeschafften Jungtiere werden an Freunde, Verwandte und manchmal auch an Fremde weiter verschenkt, bevor sie endlich bei uns im Tierheim abgegeben werden. Das ist dann ein Glück, weil sie von uns in vernünftige Hände vermittelt werden.

Aus welchen Gründen werden die Tiere abgegeben?

Viele haben nicht genug Zeit für das neue Haustier. Oder der Goldhamster wird erst wach, wenn die Kinder schon im Bett sind. Bei Hunden gibt es oft Probleme mit der Erziehung – oder dem Fehlen einer solchen. Wenn dann der pubertierende Rüde nach dem Kind schnappt, landet er bei uns. Manche Halter haben sich vorher auch einfach keine Gedanken über die anfallenden Kosten gemacht. Steuern, Hundehalterhaftpflicht, Tierarztkosten und neuerdings der Hundeführerschein in Niedersachsen – so ein Hund kann teuer werden.

Wann ist denn der richtige Zeitpunkt, um sich ein Tier anzuschaffen?

Nach reichlicher Überlegung! Wenn es ein Hund sein soll, braucht man in den ersten Wochen und Monaten viel Zeit. Ein Welpe muss noch viel lernen und umsorgt werden. Es geht nicht nur ums Gassi Gehen und Füttern, auch die Bindung zum Tier muss gestärkt werden. Ein Hund ist ein Rudeltier und möchte immer bei seinen Menschen sein – für Vollzeit Berufstätige ist das fast unmöglich. Aber auch andere Haustiere brauchen Beschäftigung und deshalb Zeit.

Welche Fragen sollte man sich vor dem Kauf eines Vierbeiners stellen?

Klar, die Zeitfrage. Man sollte sich aber auch sehr genau über die Bedürfnisse der verschiedenen Haustierarten informieren. Und wenn das Tier nicht zu den eigenen Lebensgewohnheiten passt, lieber einmal dem Tier zuliebe verzichten, als sich mit Macht etwas anschaffen und dann funktioniert das nicht. Ganz wichtig ist aber auch die Frage nach Allergien. Es werden bei uns im Tierheim oft Tiere abgegeben, weil einem Familienmitglied seit der Anschaffung dauerhaft die Augen tränen.

Wie können Eltern ihre Kinder denn am besten auf die Verantwortung für ein Haustier vorbereiten?

Man sollte ihnen den Kontakt zu Tieren ermöglichen. Die Familie könnte einen Hund oder eine Katze in Urlaubspflege nehmen. Auch ein Besuch im Tierheim kann sich lohnen, damit die Kinder sehen, was mit Tieren passiert, die unüberlegt angeschafft wurden. Aber auch wenn Kinder an einen verantwortungsbewussten Umgang mit Tieren herangeführt werden, muss den Eltern klar sein, dass sie am Ende die Vollverantwortung tragen. Sie müssen für das Tier sorgen, wenn die Kinder das Interesse verlieren oder irgendwann ausziehen. Hunde und Katzen haben eine hohe Lebenserwartung.

Vermittelt Ihr Tierheim kurz vor Weihnachten noch Tiere?

Nein. Wir haben ab zwei Wochen vor Weihnachten bis nach Neujahr eine Vermittlungssperre. Das Tierheim ist zwar geöffnet, aber nur um zu informieren. Vermittelt wird erst nach der Knallerei an Silvester. Sonst haben wir gerade die Hunde wieder als Findlinge vor der Tür sitzen.

Gibt es in Deutschland eine Weihnachtsproduktion an Jungtieren?

Es gibt richtig gute Züchter, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind, aber es gibt auch schwarze Schafe – die Vermehrer und die Händler. Hundewelpen werden aus dem Kofferraum heraus oder im Internet zu Billigpreisen verschleudert. Die Vermehrer kommen oft aus Polen oder der Ukraine und produzieren in Hinterhöfen unter sehr schlechten Bedingungen. Die Hündinnen sehen kein Sonnenlicht, bekommen kein angemessenes Futter und die Welpen werden viel zu früh von ihnen getrennt. Man sollte weder zu Weihnachten noch an irgendeinem anderen Tag im Jahr diese Tiere aus Mitleid kaufen. Sie sind oft sehr krank, sterben den neuen Besitzern unter den Händen weg – oder die eigentlich billigen Hunde verursachen dann hohe Tierarztkosten und landen deshalb wieder bei uns.

Was sollte man seinen Kindern dann zu Weihnachten schenken, wenn nicht das lang ersehnte Tierbaby?

Man kann ihnen symbolisch ein Stofftier schenken und viele Informationen. Es gibt je nach Alter des Kindes tolle Bücher, die sich damit beschäftigen, dass ein Tier ins Haus kommt. So kann man sich langsam an das Thema herantasten und den Kindern klarmachen, dass ein Tier kein Spielzeug ist, das man zu Weihnachten bekommt.