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Archiv-Artikel

„Wir sind Bullen“

„Für lokalpolitische Sachen ist der Tatort zu langsam. Wir sind keine Lindenstraße“

INTERVIEW LUTZ DEBUS

taz: Herr Bär, Herr Behrendt, Sie drehen gerade den 38. Kölner Tatort. Worum geht es?

Dietmar Bär: Es geht um unerfüllte Liebe, um Liebe am Nachmittag, um käufliche Liebe. Einer der Callboys, der Automechaniker, hat einen migrantischen Hintergrund. Und bei Schenks zu Hause brennt mal wieder der Baum. Auf Arbeit sieht der Schenk dann diese reichen Luxusfrauen, die unser Geld ausgeben. Am Anfang des Films stehen wir an der Imbissbude und philosophieren darüber, dass reiche Menschen tatsächlich sieben Jahre länger leben als wir Durchschnittsbürger.

Also wieder mal voll sozialkritisch...

Klaus J. Behrendt: Würde ich nicht sagen. Wenn man einen türkischen Kollegen dabei hat, ist das doch noch nicht sozialkritisch.

Aber der Kölner Tatort gilt doch als einer der politischsten?

Bär: Unterm Strich ist er vielleicht sogar der politischste.

Zumindest haben das die Kollegen vom Münsteraner Tatort mal in der taz behauptet.

Behrendt: Die haben ja auch eine andere Konstellation: ein Gerichtsmediziner und ein Bulle. Wir sind zwei Bullen. Da werden die Drehbücher eben ganz anders geschrieben.

Bär: Münster ist Tatort-Stadl.

Kann ein Unterhaltungsfilm wie der Tatort etwas bewirken?

Behrendt: Wir sind Geschichtenerzähler für große Leute. Wenn man ein Thema hat, das polarisiert, hat man schon viel erreicht.

Bär: Wir sind Bundesligaunterhaltung am Sonntagabend. Wenn sich die Leute am nächsten Morgen über das Thema unterhalten, ist das ja schon mal was.

Den Kölner Tatort gibt es seit 1997. Kleben die Figuren Schenk und Ballauf bereits an Ihnen?

Bär: Kleben? Das hört sich ja richtig unangenehm an.

Läuft da auf der Straße der Kommissar Ballauf oder der Klaus J. Behrendt?

Behrendt: Das unterscheidet uns von Erich Ode oder Horst Tappert. Wir machen ja auch beide noch gehörig viele eigene Fernsehspiele.

Wenn jetzt im Herbst die deutsche Version der Titanic ausgestrahlt wird, dann sagt da keiner vor der Glotze: „Der Matrose ist doch der Ballauf!“

Bär: Sie meinen „Der Untergang der Pamir“. Der Film ist so gut gemacht, dass man den Klaus fast nicht und mich gar nicht erkennen kann. Wir sind ja Schauspieler, keine Polizisten. Wir wohnen ja nicht in Ihrer Schrankwand. Natürlich ist man im Supermarkt und am Flughafen der Kommissar. Beim Fernsehen ist das so. Niemand sagt dem Theaterschauspieler, wenn er in der Stadt rumläuft, ach Herr Hamlet. Die Auseinandersetzung darüber, dass Fernsehen nicht Realität ist, muss beim Zuschauer laufen. Und das gelingt eher, wenn wir auch mal in anderen Rollen zu sehen sind.

Herr Behrendt, Herr Bär, anders als bei Derrick muss bei Ihnen beiden ja keiner den Wagen holen...

Behrendt: Ja. Deshalb haben wir diese Grundkonstellation in Köln auch nicht. Es gibt keinen Meister und keinen Knecht. Es gibt die gleiche Kohle. Das war eine Grundbedingung von uns.

Die gleiche Gehaltsstufe bei der Beamtenbesoldung?

Nein, die gleiche Gage. Das ist immer ein Sprengsatz.

Sie müssen sich den Wagen also selber holen?

Bär: Wenn es denn einen gibt. Wir haben von den echten Kollegen erfahren, die uns im letzten Jahr zum Ehrenkriminalbeamten gemacht haben, dass es toll wäre, wenn sie sofort ein Auto hätten, in das sie hineinspringen könnten. Das wäre mit den Karren in Wirklichkeit viel schwieriger als im Film.

Herr Behrendt, was ist Hamm für Sie? Was ist Ibbenbüren für Sie?

Behrendt: In Hamm hab ich knapp drei Jahre gelebt. Meine Erinnerungen sind weg. Mein Vater wurde befördert, wurde Stationsarzt in einer Kinderklinik in Ibbenbüren. Damit wurden wir dort auch ansässig. Ich habe eine wunderbare Jugend dort verbracht. Ibbenbüren ist eine reine Schulstadt. Die Stadt ist voll mit Jugendlichen. Das ist ein Schlaraffenland gewesen. Und die Gegend, das Münsterland, ist auch unheimlich schön. Dann hab ich da drei Jahre meine Ausbildung gemacht, ich bin in den Bergbau gegangen, untertage. Das bedeutet mir viel.

Aber jetzt sind Sie Berliner.

Alle Freunde sind aus Ibbenbüren weggegangen. Ich auch. Mich hat es auf die Schauspielschule verschlagen. Irgendwann war ich dann in Berlin.

Aber Berlin ist nicht Heimat, oder?

Was heißt hier Heimat. Heimat ist immer da, wo man seine Freunde hat.

Bär: Das nennst du dann Heimat? Bei mir ist das genau andersrum. Bei mir ist die Heimat Dortmund und das andere ist mein Zuhause. Berlin ist mein Zuhause. Wobei, wir fahrenden Gesellen haben sowieso kein Zuhause. Wir wohnen im Wohnwagen.

Was ist Dortmund für Sie, Herr Bär?

Dortmund, das sind die Roots. Im Schauspielhaus hab ich angefangen. Die Ausbildung dann in Bochum...

Peymann erlebt?

Peymann erlebt! Ich bin 1982 nach Bochum gekommen. Da wurde gerade noch die schöne alte Bo-Fabrik bespielt, die dann platt gemacht wurde. Das Theater hat vom Dachstuhl bis zum Keller gebrummt. Später wurde es etwas düsterer. Aber da war ich ja auch schon verschwunden. In Tübingen hab ich gemerkt, dass man als Schauspieler ganz viel davon geprägt ist, wo man herkommt. Die Ruhrgebietsschauspieler sind Leute, die sich durch direkte Sprache und klaren Humor auszeichnen. Da kommen Sie auch in so einem Haifischbecken wie dem Theaterbetrieb besser mit durch. Und man kommt als Ruhrgebietler auch im Große-Schnauze-Haufen Berlin ganz gut klar. Diese Nörgelei, diesen Brandenburger Sound versteht man ganz gut.

Sie sind doch also eher Berliner als Kölner Kommissare?

Bär: Wer sagt Ihnen denn so was? Bei der Ausstrahlung des ersten Kölner Tatorts fehlte nur dem Express das entsprechende Sprechkolorit.

Behrendt: Also, das hör‘ ich zum ersten Mal.

Bär: Der Express hat auch gemeckert, dass da zwei Westfalen ... Nun, wenn der Kölner nix zu kacken hat.

Machen Sie lieber was für den WDR oder für Private?

Behrendt: Es werden von allen gute Stoffe angeboten. Der Großteil ist vom WDR gekommen. Aber ich hab schon wunderbare Produktionen für die Privaten gemacht.

Bär: Vor 15 Jahren, als SAT.1 den Schauspieler Günter Strack exklusiv weggekauft hat, ging noch ein Aufschrei durch ZDF-Deutschland. Dafür sind wir zu sehr Huren, als dass wir uns nur an einen Sender ranschmeißen würden, was Klaus?

Behrendt: Wenn es eine gute Rolle ist, die einem angeboten wird, dann macht man das. Die Strategie der Privaten hat sich ja auch verändert. Die leben ja von der Werbung. Und da entsteht inzwischen von den Werbepartnern ein gewisser Druck, dass die jetzt auch qualitativ hochwertigere Projekte machen müssen.

Sie wollen jetzt die Privaten nicht in die Pfanne hauen?

Bär: Natürlich können wir über die Privaten schimpfen. Ich musste mal sechs Wochen im Ausland sitzen und hatte in diesem Hotel in Tallinn nachmittags nur die Chance, SAT.1 und RTL zu gucken. Wenn da der Plebs durchs Studio gejagt wird mit den schrecklichsten Ich-fick-deine-Omma-Geschichten, das ist grauenhaft.

„Wir sind zu sehr Huren, als dass wir uns nur an einen Sender ranschmeißen würden“

Und kritische Töne zum WDR?

Köln kommt für mich gleich nach Berlin. Wenn‘s hier nicht so klüngelich wäre, könnte man hier sogar wohnen. Der Abstand zu dem Arbeitsplatz ist aber nicht falsch.

Wird sich der WDR durch Schwarz-Gelb ändern?

Behrendt: Das glaub ich nicht.

Bär: Darüber hab ich letztens auch nachgedacht. Wir kennen uns Backstage zu wenig aus. Wir sind im Maschinenraum zu Hause. Ich glaube, es bleibt die gute alte Tante WDR.

Sie beide engagieren sich auch politisch?

Bär: Das politische Engagement, das sie meinen, sind vielleicht die zwei Jahre SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend – die Jugendorganisation der DKP; d. Red.), die auf meinem Lebenszettel stehen. Ich würde mich als politisch bewussten Menschen bezeichnen. Das ist man als taz-Abonnent ja doch automatisch.

Behrendt: Ich lebe schon politisch. Aber politisch aktiv sein, nee. Das Engagement im Charity-Bereich ist schon gut.

Charity?

Bär: Wenn der Karren einigermaßen erträglich ist, lassen wir uns da gerne vorspannen. Seit dem Tatort „Manila“ gibt es den Tatortverein. Wir waren jetzt noch mal auf den Philippinen und haben uns diese Gefängniskinder angeguckt.

Könnten Sie sich vorstellen, dass sich der Tatort lokalpolitisch in Köln einmischt?

Behrendt: Müllskandal, Wehrmachtsausstellung und Babyklappe hatten wir schon.

Bär: Für die lokalpolitischen Sachen, die Sie meinen, ist der Tatort zu langsam. Das Thema, das für ein Drehbuch jetzt festgelegt wird, wird im Herbst 2007 gedreht und 2008 gesendet. Wir sind keine Lindenstraße.

Haben Sie Einfluss auf die Drehbücher?

Behrendt: Es gibt erst Mal eine Grundidee, daraus entsteht ein Exposé, dann ein Treatment und dann eine erste Fassung. Wenn das bei der Grundidee schon scheitert, wenn wir diese vier, fünf Seiten ablehnen, wird das auch nicht gemacht. Zu 90 Prozent hatten wir gute Bücher.

Bär: Und natürlich geht man am Ende ran und sagt, das würde ich aber so sagen. Das ist meine Verantwortung für die Figur. Schenk mit der Band damals, da sagte ich: Stop! Braucht ihr gar nicht weiter verfolgen. Singende Kommissare hat‘s genug gegeben.