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Archiv-Artikel

„Ich war erschüttert“

VORTRAG Journalisten und Anwälte berichten über eine Reise in serbische Roma-Siedlungen

Von eib
Andrea Vogel

■ 40, ist Internistin und arbeitet in der Notaufnahme am Klinikum Mitte und war im Juni mit Anwälten und Journalisten in Serbien.

taz: Frau Vogel, was haben Sie in Serbien gesehen?

Andrea Vogel: Ich sage erstmal, was ich nicht gesehen habe. Es gibt in Serbien Healthcare Mediators, die in informelle Roma-Siedlungen gehen sollen, um die Leute zum Beispiel über Impfungen aufzuklären, ihnen zu helfen, eine Krankenversicherung abzuschließen, und um sie zu ermutigen, zum Arzt zu gehen. Die wollte ich einen Tag begleiten.

Aber?

Die serbische Regierung, bei der die Mediatoren angestellt sind, hat kein Interesse daran. Zudem kommen auf je 10.000 Roma 1,25 Mediatoren. In Belgrad, wo es 100 bis 200 informelle Siedlungen, also Slums gibt, ist ein Mediator zuständig.

Sie waren auf eigene Faust unterwegs?

Ja, das war auch kein Problem, weil sehr viele Menschen Deutsch sprechen. Sie haben in Deutschland gelebt und wurden abgeschoben.

Was haben Sie erfahren?

Es gab eine Frau, die hatte Darmkrebs und wusste überhaupt nicht, dass sie eine gute Prognose hat. Das habe ich ihr erst gesagt, nachdem ich die Arztberichte gelesen hatte. Das war ganz typisch: Selbst wenn sie behandelt werden, dann ist das ein Dienst nach Vorschrift, sie werden abgespeist und allein gelassen. Es gibt keine Weiterbehandlung, die Medikamente, die ihnen verschrieben werden, können sie nicht kaufen, weil sie etwas dazu bezahlen müssen. In die Gesundheitszentren trauen sie sich oft nicht, weil sie dort Diskriminierung erleben.

Waren Sie geschockt von dem, was sie erlebt haben?

Ja. Mit eigenen Augen zu sehen, wie die Menschen dort leben, in dieser unglaublichen Armut, das war erschütternd. Und das geschieht ganz in unserer Nähe. Wir waren im Sommer dort. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das im Winter werden soll.  Interview: eib

19 Uhr, Gesundheitsamt, Rosenpavillon