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Archiv-Artikel

Abgekocht in die Champions League

VFL Gummersbach qualifiziert sich mit Karacho für die Champions League: Diesmal hielten die Nerven der Handballer bis zum Abpfiff durch. „Dieses Spiel war lange in unseren Gedanken“, sagt Torwart Ege

KÖLN taz ■ Ein paar Sekunden vor dem Ende der Partie schloss Gudjon Valur Sigurdsson für einen Moment andächtig die Augen. Und dann setzte der isländische Linksaußen des VfL Gummersbach noch einmal zum finalen Sprint durch die Kölnarena an und sprang Robert Gunnarsson, dem bärigen Kreisläufer, mit Karacho in die Arme.

Was folgte, war ein lang anhaltender Jubelschrei vor 18.798 Zuschauern. Und auch die anderen Handballprofis in Blau-Weiß feierten euphorisch den eminent wichtigen 28:24 (13:12)-Sieg gegen den SC Magdeburg, gegen den der Rekordmeister in der Liga seit Februar 1996 nicht mehr gesiegt hatte. Ist damit doch der dritte Tabellenplatz, der zur Teilnahme an der Champions League berechtigt, so gut wie gesichert - allein der TBV Lemgo kann zwei Spieltage vor ultimo noch theoretisch die Oberbergischen abfangen (muss aber am Dienstag beim heimstarken Meister THW Kiel antreten). „Die Champions League war seit Jahren mein Ziel“, sagte nachher Sigurdsson, „wenn wir das jetzt schaffen, bin ich überglücklich.“ Der Jubel fiel um so überschwänglich aus, als dem VfL auch in diesen 60 Minuten drohte, im entscheidenden Moment die Nerven zu verlieren. Im Pokal-Viertelfinale waren sie trotz einer Siebentore-Führung noch in Kronau unterlegen, und im Halbfinale des EHF-Europapokals gingen sie in den letzten zehn Minuten beim TBV Lemgo unter. Auch gegen den Angstgegner aus Sachsen-Anhalt, räumte der überragende Torwart Steinar Ege hinterher ein, „hatten wir ein bisschen Angst zu verlieren, aber dann haben wir uns zurückgekämpft.“

In der Tat schien die Partie nach einer komfortablen 12:8-Führung (26. Minute) zu kippen, als der VfL plötzlich mit 15:17 (41.) lag. Aber als SCM-Abwehrchef Sigfus Sigurdsson mit einer Roten Karte vom Feld musste (47.), wendete sich das Blatt. In nur vier Minuten traf der VfL viermal in Folge zum 23:20 – und hielt diesen Vorsprung. „Wir sind sehr zufrieden, denn dieses Spiel war lange in unseren Gedanken“, freute sich Ege.

Auch Velimir Kljaic lobte hinterher die Abgekochtheit seiner Profis. „Die Jungs sind routiniert geworden“, sagte der VfL-Trainer, „sie haben es kapiert“. Kljaic hob zwar Narcisse und Ege hervor, nannte aber die mannschaftliche Geschlossenheit als Erfolgsrezept: „Jeder hat seinen Ziegel an dieses Haus gebaut. In den letzten zwölf Minuten hat die Abwehr wie eine Mauer gestanden.“ Und der 59-Jährige verriet, dass er vor diesem Schlüsselspiel fast zu einer eher unkonventionellen Methode gegriffen hätte: „Am liebsten hätte ich jedem vor dem Spiel einen doppelten Whiskey gegeben, damit endlich die Handbremse im Kopf gelöst wird.“ Es könnte also alles gut sein in Gummersbach, da die Mannschaft das wichtigste Saisonziel erreicht hat und „gut mit dem Druck fertig geworden ist“, wie VfL-Manager Stefan Hecker erleichtert registrierte. Trotzdem rumort es.

Denn dass mit Alfred Gislasson bereits ein Trainer für die Saison 2007/08 verpflichtet worden ist, stellt sich als zunehmend unerquicklich heraus – und nicht nur, wenn es um langfristige Personalplanungen geht, die nur kompliziert zu synchronisieren sind. Kljaic sieht zudem sein Wirken in Gummersbach nicht genug gewürdigt, wie er erneut mit deftigen Vokabeln deutlich machte. Es wäre jedenfalls keine große Überraschung, wenn nun in Gummersbach eine Trainerdiskussion aufflammte. Die entscheidende Frage wird der Klubvorstand um Hans-Peter Krämer jedenfalls bald beantworten müssen: Warum übernimmt nicht Gislasson, der als isländischer Nationaltrainer nach den WM-Playoffs im Juni (gegen Schweden) vermutlich frei ist, schon im Juli den VfL?

ERIK EGGERS