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Archiv-Artikel

Egal ist nur der Datenschutz

DEMOKRATIE Die „Jugend im Parlament“ kümmert sich um Bremens Selbstständigkeit und die notwendigen Schulreformen. Das neue Wahlrecht macht sie zu politischen Faktoren

Nur 44,3 Prozent der 16- und 17-jährigen BremerInnen haben sich an den letzten Beiratswahlen beteiligt

Von HENNING BLEYL

Bei den Grünen wird Händchen gehalten. In den Reihen der SPD entstehen bemerkenswerte Kuli-Kalligraphien. Und dort, wo die CDU ihren Platz im Landesparlament hat, steht weithin sichtbar eine Birne auf dem Abgeordnetenpult. Allerdings muss man bezweifeln, dass die Gleichung Birne = Kohl = Christdemokraten hier ohne Weiteres aufgeht: Im Plenarsaal der Bürgerschaft sitzen Bremer OberstufenschülerInnen, für die die Ära Kohl samt ihrer besonderen Symbolik graue Vorgeschichte darstellt.

Die anwesenden Jugendlichen gehören zum politisch engagierten Teil ihrer Generation. Die Teilnahme an „Jugend im Parlament“ wird nicht etwa von den Schulen organisiert, man muss sich individuell darum bewerben – der Plenarsaal ist voll geworden. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr stehen den Schüler-ParlamentarierInnen bei der Eröffnungsveranstaltung diesmal echte Abgeordnete gegenüber – sie sitzen auf der Regierungsbank, was gegenüber dem Prinzip der Gewaltentrennung einen gewissen Stilbruch darstellt. Alle Abgeordneten loben das neue Wahlrecht, das jedem Berechtigten bei der kommenden Landtagswahl fünf statt wie bisher nur eine Stimme gibt. Erstmals auch 16-Jährigen.

Die einzige Angriffsfläche bietet Bernd Richter. Die Teilnahme von Jugendlichen an Beiratswahlen sei gut – „aber wir haben Probleme damit, wenn sie schon den Landtag wählen können“, sagt der FDP-Vertreter. Und erntet sogar vereinzeltes Zustimmungsklopfen von Angehörigen ebendieser Altersgruppe. Deren Gros jedoch fühlt sich offenbar eher durch die vertreten, die Richter daraufhin mit Fragen löchern. Ob Themen wie Bildung, über die im Landtag entschieden werde, Jugendliche etwa nicht beträfen? „Schon“, gibt Richter zu. Aber „die Probleme vor Ort“, sprich: in den Stadtteilen, seien als Politikeinstieg für den Nachwuchs aus liberaler Sicht adäquater.

Dass sie ihr Bildungsinteresse ernst meinen, bekräftigen die Jugendlichen bei der anschließenden Zuordnung zu den „Ausschüssen“: Der mit dem Thema Pisa und Schulreform hat den größten Zulauf. Aber auch der Wirtschaftsausschuss, der unter dem Titel „Pleite und weg vom Fenster“ über Bremens Selbstständigkeit diskutieren will, ist gut besucht. Interessanterweise fällt lediglich der Datenschutz-Ausschuss flach: Als „gläserne Jugend mit Tunnelblick“, die sich mit den Sicherheitsproblemen Sozialer Internet-Netzwerke beschäftigen sollte, wollen sich die „Als ob-Abgeordneten“ offenbar nicht verstanden wissen.

Nur 44,3 Prozent der 16 und 17 Jahre alten BremerInnen haben bei den letzten Beiratswahlen von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht. Da für die Landtagswahl in einem Jahr Ähnliches befürchtet wird, plant die Bürgerschaft eine entsprechende Kampagne: 320.000 Euro hat der Senat dafür bewilligt, allerdings muss der Finanz- und Haushaltsausschuss noch sein Placet geben.

Die schon im Parlament sitzenden Jugendlichen können als erreicht gelten, auch Durchhaltewillen besitzen sie offenbar genug: Heute nehmen die Schüler-Ausschüsse ihre Arbeit auf, am Montag werden die Resolutionen verabschiedet.