Im Geist der Wissenschaft, im Dienst der Bundeswehr

PEACE! Unis mit Zivilklauseln bekommen Geld für militärische Forschung. Begründung: zivile Zwecke

BERLIN taz | Die Universität Rostock erforscht, wie sich am Meeresboden verschüttete Minen auffinden lassen. In Tübingen erkunden Forscher, welche Wirkung Narkosemittel auf Menschen haben, die Nervengiften ausgesetzt waren. Beide Universitäten forschen im Auftrag der Bundeswehr, beide Universitäten haben sich jedoch verpflichtet, die Wissenschaft ausschließlich in den Dienst friedlicher Zwecke zu stellen. Seltsam, aber nicht einzigartig.

Außer den beiden Universitäten bekommen nach Auskunft des Bundesverteidigungsministeriums 29 weitere Hochschulen in diesem Jahr Geld für militärische Forschungen. Zwei weitere, Konstanz und Göttingen, haben in ihrer Grundordnung ebenfalls Zivilklauseln verankert. Im Haushalt des Verteidigungsressorts ist hinter dem Ausgabenposten ausdrücklich vermerkt: „Für Forschungsarbeiten auf den Gebieten der Medizin, der Pharmazie, der Veterinärmedizin und der Psychologie, soweit an ihnen ein überwiegend militärisches Interesse besteht.“

Unis: Kein Widerspruch zu friedlichem Wirken

Die vier Hochschulen sehen indes keinen Widerspruch zu ihrem friedlichen Wirken. Im Gegenteil: Die Universität Rostock, die von 2011 bis heute 300.000 Euro bekommt, betont, dass das Auffinden und Entschärfen von Seeminen, die den Schiffsverkehr gefährden können, vor allem humanitären Charakter habe. „Wir sehen keinen Widerspruch zur Zivilklausel der Universität“, meint Sprecher Ulrich Vetter.

Von der Universität Tübingen, die in diesem Jahr 66.000 Euro erhielt, heißt es: „Von den Ergebnissen der Forschung profitieren zivile Opfer wie auch verletzte Soldaten.“ Auch zivile Einrichtungen wie der diesjährige Friedensnobelpreisträger, die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW), profitierten mittelbar von der Rostocker Bundeswehrforschung. Seit Jahren besteht eine enge Kooperation mit der Bundeswehr. Das Konstanzer Projekt sei hingegen längst beendet, sagte eine Sprecherin. Aus Göttingen kam bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme.

Wenn selbst Friedensnobelpreisträger mit einer Armee vertrauensvoll zusammenarbeiten, deren leitendes Prinzip die Einsatzorientierung ist – dann dürfen das auch Unis mit Friedensselbstverpflichtung? Christoph Marischka von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung widerspricht: „Dass jede militärische Forschung im Einzelfall irgendwie humanitär begründet werden kann, wie eben auch einzelne Kriege humanitär begründet werden, steht außer Frage. Dann erscheint eine Zivilklausel jedoch überflüssig.“

Auch aus dem Verteidigungsministerium heißt es, fast alles könne sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden: das Internet etwa. „Die Ergebnisse aus den Forschungsvorhaben nutzen wir dann natürlich für unsere Zwecke, sonst würden wir den Auftrag ja nicht vergeben.“ANNA LEHMANN