: Steuer der Hoffnung
Wenn die Gewinnsteuer sinkt, zahlen die Firmen freiwillig mehr, hofft die SPD-Spitze. Linke mögen das nicht glauben
BERLIN taz ■ Die große Koalition gründet ihre Reform der Unternehmensteuer auf das Prinzip Hoffnung. Durch eine dauerhafte Entlastung besonders der großen Unternehmen um einige Milliarden Euro soll am Ende mehr Geld in die staatlichen Kassen fließen. Das Paradox erklärt man im Bundesfinanzministerium und in der SPD-Fraktionsspitze so: Unternehmen sollen bei geringeren Steuersätzen eher bereit sein, einen größeren Teil ihrer Gewinne bei deutschen Finanzämtern zu versteuern – anstatt sie wie bisher ins Ausland zu verschieben.
Frühestens Anfang Juni wird Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sein Konzept für die Reform der Unternehmensteuer präsentieren. Die bisherige Körperschaftsteuer von 25 Prozent auf die Gewinne von Kapitalgesellschaften (AGs, GmbHs) soll dann auf gut die Hälfte sinken. Addiert man die Gewerbesteuer hinzu, wird die Belastung der großen Unternehmen unter 30 Prozent liegen (heute knapp 39 Prozent). Dieses Ziel strebt Schwarz-Rot an, um deutsche Konzerne im internationalen Maßstab konkurrenzfähiger zu machen. In den meisten anderen Staaten ist die nominelle Belastung der Unternehmen geringer als in Deutschland.
Finanzministerium und SPD-Fraktionsspitze wollen sich aber nicht nur darauf verlassen, dass die Unternehmen freiwillig einen größeren Anteil ihrer Gewinne im Inland versteuern. Einen – vermutlich kleineren Teil – der Einnahmeverluste durch die niedrigeren Steuersätze will man durch schärfere Gesetze wieder hereinholen. Möglich wäre zum Beispiel, dass die Steuer auf Dividenden erhöht wird, die die Aktiengesellschaften an ihre Eigentümer ausschütten. Als weitere Variante wird gehandelt, bestimmte Beteiligungsgesellschaften der Gewerbesteuer zu unterwerfen, die diese heute noch nicht zahlen müssen. Zu konkreten Plänen wollte sich der Sprecher des Finanzministeriums gestern nicht äußern.
Mit den beiden Effekten – freiwillige Steuerzahlung im Inland und schärfere Gesetze – will der sozialdemokratische Regierungspartner der Forderung des vergangenen SPD-Parteitages nach einer „weitgehend aufkommensneutralen“ Unternehmensteuerreform gerecht werden. Nur unter dieser Formel hatte die SPD-Linke der umstrittenen Senkung der Steuer für Konzerne beim Parteitag in Berlin vor zehn Tagen zugestimmt.
Zu Berichten, man gehe von dauerhaften Mindereinnahmen von 7 bis 8 Milliarden Euro aus, wollte sich das Bundesfinanzministerium gestern nicht äußern. „Das können wir uns nicht leisten“, sagte der SPD-Linke Florian Pronold. Er forderte eine „breitere Bemessungsgrundlage“, also schärfere Gesetze, um das Geld wieder einzukassieren, das man den Unternehmen durch die niedrigeren Sätze schenke.
HANNES KOCH