: Hamid Karsai pokert mit den USA
AFGHANISTAN Die Loja Dschirga spricht sich für ein Sicherheitsabkommen mit den USA aus. Präsident Karsai verfolgt aber andere Interessen. Er will mit den Taliban verhandeln
VON THOMAS RUTTIG
BERLIN taz | „Die Entscheidung ist ihre“, sagte Präsident Hamid Karsai am Donnerstag während seiner Eröffnungsrede den Delegierten der Loja Dschirga, die darüber entscheiden sollten, ob ein bilaterales Sicherheitsabkommen mit den USA für die Zeit nach dem Abzug der Nato-Truppen Ende 2014 im nationalen Interesse Afghanistans liege. Weil ohne US-Truppen bei der Nato in Afghanistan nichts geht, bildet das Abkommen auch die Grundlage für die vorgesehene Stationierung deutscher Soldaten als Ausbilder für die afghanischen Streitkräfte. Nachdem die von Karsai-Verbündeten handverlesenen Delegierten, wenn auch mit einigen Änderungsvorschlägen, ihre prinzipielle Zustimmung gegeben und Karsai aufgefordert hatten, das Dokument, wie von Washington gewünscht, vor Jahresende zu signieren, änderte der seine Wortwahl. „Danke für ihre Vorschläge“, sagte er gestern während seiner Abschlussrede. „Ich weiß sie zu schätzen.“ Dann fügte er hinzu, das Abkommen solle erst nach der Präsidentenwahl im kommenden April, also von seinem Nachfolger, unterzeichnet werden.
Präsidentensprecher Aimal Faizi sprach von drei „Vorbedingungen“ an die USA. Erstens sollen deren Truppen ihre einseitigen Hausdurchsuchungen beenden. Komme das „noch ein einziges Mal“ vor, so Karsai gestern in seiner Rede, „gibt es kein Abkommen“. Schon 2012 hatte Washington sich verpflichtet, nur noch mit Genehmigung afghanischer Stellen und in Begleitung afghanischer Sicherheitskräfte vorzugehen, dies aber wiederholt nicht eingehalten. Allerdings hat die Dschirga nun zugestimmt, dass Durchsuchungen bei „Gefahr für Leib und Leben“ amerikanischer Soldaten weiterhin möglich seien. Die Dschirga gewährte den US-Soldaten auch Immunität gegenüber afghanischen Gerichten und die Nutzung von neun Militärbasen. Die Delegation aus Bamian verlangte sogar einen zusätzlichen Stützpunkt für ihre Provinz. Für westliche Diplomaten in Kabul sind Karsais Worte ein Versuch, die Verhandlungen noch einmal zu öffnen.
Außerdem, so Karsai-Sprecher Faizi, solle Washington „transparente Wahlen“ sowie eine „Unterstützung des Friedensprozesses“ garantieren. Das widerspiegelt Karsais Befürchtung, die Obama-Regierung werde sich zu seinen Ungunsten in die Präsidentenwahl einmischen. Er hat bis heute nicht vergessen, dass Obama während dessen ersten Wahlkampfs 2008 laut darüber nachdachte, ihn – der 2001 auf US-Betreiben an die Macht kam – wegen Korruption fallen zu lassen. Zudem will Karsai mit dem Zurückhalten seiner Unterschrift die USA zwingen, ihm einen direkten Gesprächskanal mit den Taliban zu eröffnen. Er versucht offenbar, noch vor den Wahlen ein Friedensabkommen mit den Aufständischen zu erzielen. Sprecher Faizi erklärte am Freitag, Karsai habe positive Zeichen von den Taliban erhalten.
Klar ist, dass Karsai über das Abkommen entscheiden will, die Loja Dschirga war nur Staffage. Washington droht nun, seine Truppen einseitig abzuziehen, wenn das Abkommen bis Jahresende nicht steht. Faizi sagte, er halte das für einen Bluff.