P.E.N., Freiheit etc.
: Zu Gast bei Angie

Der erste Eindruck in den weiten Hallen des Bundeskanzleramts am frühen Mittwochabend, im Blick die Teilnehmer des 72. Internationalen P.E.N.-Kongresses, die unsere Bundeskanzlerin zu einem kleinen Empfang eingeladen hatte: Schreiben macht alt. Ist also jungen, schönen Menschen nicht zu empfehlen. Oder hält Schreiben jung (wenn auch nicht unbedingt schön)? Es muss jedenfalls seinen Grund haben, dass das Durchschnittsalter der rund 400 Anwesenden weit jenseits der Pensionsgrenze lag.

Angela Merkel würde vielleicht sagen, nicht Schreiben hält jung, sondern der Kampf für die Freiheit. Denn darum machte sie in ihrer Rede viel Aufhebens, dass sich der Internationale P.E.N. schon bei seiner Gründung 1921 dazu verpflichtet habe, jederzeit und überall für die Freiheit des Wortes einzutreten. Sie kam ja gerade aus China zurück, wo sie leicht als Mitglied des P.E.N. hätte durchgehen können. Nicht weil sie so alt ausschaut. Das tut sie nicht, im Gegenteil, sie sah am Mittwoch ausgesprochen frisch und munter aus. Nein, weil sie, wie Johano Strasser, der deutsche P.E.N-Präsident, lobend anerkannte, in Sachen Menschenrechte deutlich Stellung bezogen hatte. „Das war nicht immer der Fall“, meinte er mit Blick auf Staatsbesuche vorangegangener deutscher Politiker.

Rolf Hochhuth dankte ihr danach mit einem Handkuss. Zuvor hatte er noch schwere Kämpfe durchfochten, die er mit dem Ausruf beschloss: „Ich kenn noch die anständige Republik unter Gustav Heinemann!“ Das sind eben die Zeitspannen, in denen P.E.N.-Mitglieder denken. Damals jedenfalls, in der anständigen Republik, unter Gustav Heinemann, muss es noch anständige Mikrofone, genauer, eine anständige Architektur mit einer anständigen Akustik gegeben haben. Tatsächlich hallte es im Kanzleramt ganz fürchterlich und die Rede der Bundeskanzlerin war kaum verständlich. Dem wollte Hochhuth abhelfen und wandte sich daher an das Personal. Bis zum Protokollchef kämpfte er sich durch, der ihm so wenig helfen wollte wie die anderen – er konnte es einfach nicht. Also zog Hochhut mit ebenjenen denkwürdigen Worten zunächst einmal beleidigt ab.

Der internationale P.E.N-Präsident Jiri Grusa, der als Tscheche die anständige Republik nicht kennen konnte, hatte wohl alles verstanden und sah in der Einladung durch Angela Merkel geradezu einen Glücksfall, denn erst sie repräsentiere wirklich die Einheit Deutschlands, wie er meinte. Sie hatte ihre Rede mit Voltaire beendet: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Vielleicht sollten auch Architekten Mitglied des P.E.N. werden, damit sich dieser Einsatz lohnt und das freie Wort auch gehört werden kann.

BRIGITTE WERNEBURG