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Archiv-Artikel

Dem BND droht eine Blamage vor Gericht

Anzeichen fürs schnelle Ende des Verfahrens gegen Geheimdienst-Aussteiger Juretzko. Richter über BND verärgert

BERLIN taz ■ Der Prozess gegen den BND-Aussteiger Norbert Juretzko könnte für den Nachrichtendienst peinlich enden. Der Vorsitzende Richter will das Verfahren am Landgericht Berlin offensichtlich deutlich abkürzen: Am Mittwoch fragte er die Verteidiger Juretzkos, ob sie weitere Anträge nur noch „hilfsweise“ für den Fall stellen wollten, dass die Kammer überhaupt eine Verurteilung in Betracht ziehe. Die Verteidigung will das prüfen. So ein Vorgehen deutet auf schlechte Chancen für Staatsanwaltschaft und BND hin, die Juretzko Geheimnisverrat vorwerfen.

Juretzko war 15 Jahre beim BND und führte russische Informanten. Dann zerstritt sich der Spion mit seinem Arbeitgeber, ging in Pension und veröffentlichte 2004 ein Enthüllungsbuch. Staatsanwalt und Geheimdienst werfen ihm vor, in dem Buch Decknamen, Kennnummern, Gebäude, ein geheimes Schreiben und Treffen offenbart und damit öffentliche Interessen gefährdet zu haben.

Die bisherigen Zeugen des BND sagten jedoch aus, der Dienst habe alle enthüllten „Dienstnamen“ beibehalten. Die Verteidigung leitet daraus ab, dass das Buch keine Mitarbeiter gefährdet hat. Zwei BND-Männer, die in nicht öffentlicher Sitzung aussagten, konnten nach Angaben der Verteidiger auch keinen konkreten Schaden durch die Veröffentlichung des geheimen Schreibens benennen.

Der Vorsitzende Richter war beim jüngsten Verhandlungstermin sichtlich ungehalten über den BND. Der hat nämlich ein Veto dagegen eingelegt, dass sich die Strafkammer Akten aus einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig kommen lässt. Juretzko und der Dienst streiten dort um Geld. Die Akten seien zu geheim, um nach Berlin gebracht zu werden, hieß es. Das Gericht könne ja nach Leipzig reisen.

Zudem sollte ein BND-Mann mit dem Dienstnamen Uhlbauer aussagen. Er erschien nicht, dafür landete auf dem Faxgerät des Gerichts ein Attest. Ein Arzt schrieb einen Patienten verhandlungsunfähig, der aber einen völlig anderen Namen trug – mutmaßlich der Klarname Uhlbauers. „Das ist ein Unding“, polterte der Vorsitzende Richter, „das muss man mal so deutlich sagen.“ Er forderte Anklage und Verteidigung nun auf, ihre Plädoyers vorzubereiten. Nächster Termin ist der 7. Juni. Ursprünglich sollte das Verfahren bis in den Juli gehen. GEORG LÖWISCH