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Archiv-Artikel

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Wer will heute noch ein Kind in diese überbevölkerte Welt setzten? Andererseits: Hätte sich bereits Maria diese Frage gestellt, wir würden nächstens nicht Weihnachten feiern. Aber die Frau und der Mann, denen wir in Duncan Macmillans Stück „Atmen“ begegnen, sind eben nicht Maria und Joseph, auch wenn sie sich ziemlich anstrengen, gute Menschen zu sein. Globale Erwärmung, Bürgerkriege um Wasser, CO2-Fußabdrücke – all das gibt es zu bedenken beim Kinderwunsch. Dem geht die britische Regisseurin Katie Mitchell in ihrer Inszenierung des Stücks für die Schaubühne genauer nach. Mitchell, die Multimediakünstlerin, beobachtet mit der Kamera quasi stets sich selbst bei der Verfertigung der Illusionen. Die auf der Leinwand vergrößerten Menschen sehen für die Zuschauer dabei aus wie Insekten unter dem Mikroskop. (Schaubühne: „Atmen“, 30. 11., 21 Uhr, 2. 12. 20 Uhr)

Die Weihnachtszeit ist immer ein Kampfplatz der Gefühle. Und des Traums, besonders glücklich zu sein, der dann am Ende an der Verkrampftheit scheitert, mit der die Leute um seine Verwirklichung ringen. So auch in Martin Crimps bösem Drama „In der Republik des Glücks“, das Rafael Sanchez im Deutschen Theater zur Uraufführung bringt: ein Weihnachtsausflug in den Terrorpark Familie. (Deutsches Theater: „In der Republik des Glücks“, 28. 11., 20 Uhr, 3. 12., 20 Uhr)

Und wo das Glück ist, sind vielleicht auch Sonny Boys nicht weit. So zumindest heißt ein 1972 entstandenes Stück von Neil Simon, in dem es um zwei abgehalfterte Komiker geht. Ja, und auch hier merken wir schnell: von Sonne kann bei den Sonny Boys keine Rede sein! Aber manches Unglück lässt sich wenigstens zu großem Theaterglück ausschlachten. Im Schloßpark Theater remixen jetzt Dieter Hallervorden und Philipp Sonntag die Chose, in dem sie sich einfach selber spielen. (Schloßpark Theater: „Sonny Boys“, 30. 11., 20 Uhr, 1. + 2. 12., 20 Uhr)

Ja, und das gibt es auch: ein Theater vergibt einen Preis an das Stück eines Dramatikers, hat aber dann Angst, es wie versprochen auch uraufzuführen. Die Zuschauer könnten Schaden nehmen! Genau das ist dem Dramatiker Paul M. Waschkau im letzten Jahr passiert, als ihm das Würzburger Mainfranken Theater für sein Stück „Nacktes Leben“ den Leonhard-Frank-Preis verlieh. In der Brotfabrik erörtert er im Rahmen des Clubs der Autoren nun öffentlich den Fall. „Pornofinger“ ist die Sache überschrieben, bei der es auch zur Lesung des gestrichenen Stückes kommt. Na, wenn hier nicht am Ende doch wieder Publikumsschutz fällig wird! (Brotfabrik: „Club der Autoren: Pornofinger“, 4. 12., 20 Uhr)