: Der Vermarktungsoffizier
Oliver Bierhoff, Manager der Nationalmannschaft, kümmert sich um die Außendarstellung des Teams und gibt den alerten Animateur. Dazu nutzt er auch seine Kontakte zur Privatwirtschaft
AUS GENF MARKUS VÖLKER
Oliver Bierhoff rutscht nervös in seinem Ledersessel herum. Er bittet darum, die Glastür zu öffnen, damit frische Luft in den Interviewraum 6 des Stade de Genève kommt. Ein Journalist erhebt sich und tut ihm den Gefallen. Die Frage nach der Armbanduhr hat Bierhoff missfallen, so viel ist klar. Ja, sagt er, dies sei eine Uhr der Marke IWC, und streicht mit der rechten Hand über das exklusive Stück. Es ist eine „Portugieser Automatic in Rotgold mit Saphirglasboden“, die er da liebkost, mehr als 10.000 Euro wert. Bierhoff hat sie von der Schweizer Firma geschenkt bekommen, weil er sich als „freundschaftlicher Markenbotschafter“ für das Unternehmen aus Schaffhausen einsetzt. Im Genfer Trainingslager ist ein gewisser Herr Klaus von IWC zu den deutschen Nationalspielern gekommen und hat sie mit kleinen Rädchen und Schräubchen spielen lassen.
Christoph Metzelder & Co. haben jeweils einen Zeitmesser auseinander genommen und wieder zusammengebaut. „Danach hat alles wieder getickt“, sagt Bierhoff. Ob er die Nationalmannschaft als Plattform für private Werbeaktivitäten nutze, wollen wir wissen. Bierhoff reagiert empört auf die Frage: „Ich kann mich auch in den Sand stecken und nichts machen“, schimpft er. „Wenn Sie mir unterstellen wollen, dass das eine Werbeaktion war, dann kann ich nur darüber lachen. Das ist typisch deutsch, hier wird immer nur alles kritisch gesehen“, echauffiert sich der Manager des Nationalteams. Anstatt froh darüber zu sein, dass „mal was angeboten wird, will man nur das Negative sehen“. IWC kooperiert nicht nur mit Bierhoff, sondern auch mit der Tuning-Abteilung von Mercedes-Benz, einem Hauptsponsor der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).
Oliver Bierhoff erschließt dem Fußballteam exklusive Märkte. Er ist der richtige Mann dafür, verfügt er doch über hinreichend Erfahrung in Dingen der Selbstvermarktung. Die Uhrenshow ist für Bierhoff freilich nur Teil eines Unterhaltungsprogramms für internierte Nationalspieler, ein fakultativer Kurs mit speziellem Mehrwert. „Wenn ein Uhrmacher vier Wochen an einer Uhr arbeitet, kriegt man schon ein bisschen Demut“, glaubt Bierhoff. Abwehrspieler Metzelder sagt, ihm seien die kleinen Teile ständig aus der Pinzette geschnippt, lustig sei das gewesen. Mehrfach fiel in diesen Tagen der Name des Chronografenherstellers aus Schaffhausen. Der freundliche Botschafter hat ganze Arbeit geleistet, nur den Kollegen von den Nachrichtenagenturen unterlief ein folgenschwerer Fehler. Sie hatten sich verhört und schrieben von einem Unternehmen namens IBC. Aber am International Broadcasting Centre, dem Medienzentrum der Fußball-WM, ist Bierhoff nicht beteiligt.
Seit Juli 2004 bekleidet Oliver Bierhoff die Rolle des Managers. Anfangs fragten sich die Begleiter des Nationalteams, was so einer wohl zu tun habe. Bucht er Hotels und Reisetickets? Oder ist er für „das große Ganze“ zuständig? Nach zwei Jahren ist klar: Bierhoff ist in erster Linie Vermarktungsoffizier der deutschen Fußballelite. Er hält bisweilen seinem Chef Jürgen Klinsmann den Rücken frei und lautstarken Kritikern wie dem legendären Torwart Sepp Maier vor, ihre Anschuldigungen seien „niveaulos“ bzw. „eine absolute Frechheit“. In diesen Momenten schaut Bierhoff sehr ernst und bedeutungsvoll drein, fast ein bisschen staatsmännisch. Damit nicht genug, mimt der 38-Jährige bei Zusammenkünften des Kaders auch mal den alerten Animateur, wird kurzerhand zum Unterhaltungswart der DFB-Mannschaft. Er organisiert Schräubchenkurse, lässt den Extremkletterer Stefan Glowacz kommen oder engagiert den früheren McKinsey-Manager Herbert Henzler, der einem Michael Ballack – geschätzter Werbewert: 28,6 Millionen Euro – und einem Bastian Schweinsteiger – Werbepartner von Bifi, Zewa, Telekom und Adidas – mit wirtschaftsliberalem Wortgeklingel in den Ohren liegt und ihnen dabei sicherlich nicht so viel Neues erzählt.
Henzler hat einmal einen Satz geprägt, der wie gemacht ist für Bierhoff: „Wir bräuchten mehr solche Typen, Vorbilder, Unternehmertypen. Bei uns dagegen sind Leute wie Dieter Bohlen die modernen Heroen. Mit denen können sie den Wettbewerb um technologische Führerschaft nie gewinnen.“ Bierhoff, der diplomierte BWLer, der trainierte Typ im schwarzen Strenesse-Anzug, schafft haltbare Verbindungen in die Welt der Wirtschaftslenker, weil sich die Bosse in Bierhoff spiegeln und sich die Nationalmannschaft vor Begehrlichkeiten ohnehin kaum retten kann. Es kommt fast schon ein bisschen überraschend, dass auch der eher zurückhaltende Radfahrer Jan Ullrich seine Weisheiten vor den Fußballprofis ausbreiten sollte. Doch es kam nicht zum Erfahrungsaustausch. Dafür ist in Genf auf Anfrage Bierhoffs der Rennfahrer Michael Schumacher vorgefahren und hat sich mit den Fußballern fotografieren lassen: ein schöner Termin. Schumacher wohnt gleich ums Eck in seinem ganz persönlichen Steuerparadies.
Bierhoffs Studium generale läuft auf Hochtouren, schließlich sollen die Kicker nicht nur Fußball im Kopf haben, sondern die große, weite Welt. „Wir wollen die Spielern pushen“, sagt der frühere Stürmer. „Ich will Dinge optimieren.“ Das Rad – respektive das Rädchen – hat er nicht neu erfinden müssen, gesteht er, aber für Bewegung in den Köpfen gesorgt. Bewegen sollen sich demnächst auch die Spielerfrauen. Während der Weltmeisterschaft dürfen sie einen Fahrtest absolvieren, bei Mercedes-Benz, versteht sich. Die Männer werden wohl weniger Zeit für Fortbildungskurse dieser Art haben, das Championat dürfte sie einigermaßen beanspruchen. Wie auch Jürgen Klinsmann, der erst nach dem Turnier entscheiden will, ob er als Bundestrainer weiterarbeiten will.
Bierhoff bleibt auf jeden Fall. Er hat seinen Vertrag mit dem DFB kürzlich um vier Jahre verlängert. Sollte Klinsmann aufhören, muss Bierhoff den Klinsmann’schen Reformansatz in die Zukunft tragen. Er ist es dann, der „den ganzen Laden auseinander nehmen“ muss, wie Klinsmann zu Beginn seiner Amtszeit mit dem altersschwachen DFB verfahren wollte. Die Umbauarbeiten im Hause des Fußball-Verbandes werden ein wenig dadurch erschwert, dass Bierhoff mit dem Sportdirektor Matthias Sammer zusammenarbeiten muss. Aber auch dies wird Bierhoff, der gebürtige Karlsruher, noch hinbekommen.
Einen kleinen Disput hat es bereits darüber gegeben, wer das Sagen hat bei der Auswahl eines neuen Bundestrainers. Sammer wollte der Bestimmer sein. Bierhoff stellte jedoch umgehend klar, dass er den kommenden Mann erwähle. Freilich werde im Fall des Falles alles abgestimmt mit dem DFB-Präsidium, Jugendtrainer Dieter Eilts – und wohl auch mit Sportdirektor Sammer. Wenn alles gut geht, wird es zu dem kommen, was man gemeinhin eine einvernehmliche Lösung nennt. Danach ist dann der freundliche Markenbotschafter wieder gefragt.