Grenzwerte und Spielwert

KINDER Wer ökologisch unbedenkliches Spielzeug für den Nachwuchs will, hat es schwer. Statt neutraler Produktsiegel gibt es bisher lediglich Selbsterklärungen der Hersteller

Fast jeder Test weist Mängel auf, die zu einem Verkaufsverbot führen müssten

VON TILMAN VON ROHDEN

Die Käufer von Spielzeug haben es nicht leicht. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Stiftung Warentest seine neusten Ergebnisse: Jedes zweite der getesteten 30 Holzspielzeuge enthält gefährliche Stoffe, oder es lösen sich Kleinteile, die Kinder leicht verschlucken können. Dass es auch anders geht, zeigen acht Bewertungen mit der Note „gut“.

Fachleute sind von dem unbefriedigenden Ergebnis nicht überrascht, denn viele Untersuchungen von Spielwaren für alle Altersgruppen fallen so oder ähnlich schlecht aus. Über mehrere Jahre gerechnet sei bisher die Hälfte alle Spielzeuge durchgefallen, sagt Roman Goll, der bei Ökotest für diese Produktgruppe zuständig ist. Zudem decke, so Goll, „fast jeder Test Mängel auf“, die eigentlich zu einem Verkaufsverbot führen müssten.

Um Spielzeug zu verkaufen, braucht es dabei nur das CE-Zeichen auf der Verpackung. Doch ist dieses Label vergleichsweise wenig aussagekräftig, denn es ist lediglich eine Selbsterklärung der Hersteller. Das bekannte GS-Zeichen hat in der Produktgruppe Spielwaren keine Bedeutung. Ökotest plädiert deshalb für neutrale Produkttests, die von dritter Seite durchgeführt werden.

Die EU-Richtlinie für Spielzeug sei, so Goll, als rechtliche Grundlage wegen ihrer „exorbitant hohen“ Grenzwerte für gefährliche oder bedenkliche Stoffe kaum geeignet, um für den Schutz von Kindern zu sorgen. Dass es bis heute keine neutralen Untersuchungen gibt, führt Goll auf den Druck der Industrie zurück.

Der Verband der deutschen Spielwarenindustrie (DVSI), in dem 230 deutsche Hersteller zusammengeschlossen sind, hält von neuen Hürden wenig. Erst jüngst seien die Kriterien der EU-Richtlinie verschärft worden. Würde man alle Vorschriften ausdrucken, kämen mehrere Hundert Seiten zusammen. „Zusätzliche Vorschriften bringen Verbrauchern und Herstellern nichts“, meint DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil. Immerhin die Marktüberwachung hält er für „verbesserungsfähig“.

Ob so alle wichtigen Probleme in der Spielzeugbranche zu lösen sind, muss kritischen Verbrauchern fraglich erscheinen. Denn ein Großteil der hiesigen Spielwaren wird in China unter oft unerträglichen Sozial-, Arbeits-, Lohn- und Gesundheitsbedingungen produziert. Für Verbesserungen setzt sich seit Jahren die Aktion „Fair spielt“ ein. Sie betreibt politische und verbrauchernahe Aufklärung. Auf der Homepage der Initiative gibt es für Interessierte verschiedene Listen, die einen empfehlenden Charakter haben. Kinder interessieren sich aber kaum für Schadstoffe oder Fragen der Ökologie und Nachhaltigkeit. Sie wollen in erster Linie einfach spielen.

Insbesondere diesen Aspekt berücksichtigt das Gütezeichen „Spiel gut“ vom Arbeitsausschuss Kinderspiel und Spielzeug. Das Siegel bekommen nur Waren, die einen hohen Spielwert haben, die kindliche Lebenswirklichkeit widerspiegeln und zu einem aktiven Verhalten animieren. In das Endurteil fließen zudem die Gestaltung des Spielzeugs, Umweltverträglichkeit, verwendete Materialien und die Verpackung mit ein. Ausgeschlossen ist Spielzeug, das den Kunststoff PVC enthält.

Bei der Bewertung der Materialien verlässt sich der Verein in erster Linie auf die Angaben der Hersteller. Laut Ingetraud Palm-Walter, Mitglied des Vereinsvorstandes, können Verbraucher mit dem hierzulande angebotenen Spielzeug „im Allgemeinen zufrieden sein“. Allerdings begutachtet der Verein auch nur offensichtlich gute Spielzeuge – die besten von ihnen werden dann ausgezeichnet, kritische Urteile dagegen nur den Herstellern mitgeteilt.

„Fair spielt“: fair-spielt.de „Spiel gut“: spielgut.de. ■ Die Broschüre „Umwelt und Kindergesundheit“ des Umweltbundesamts gibt Ratschläge zur Vermeidung von Schadstoffen: umweltbundesamt.de/publikationen/umwelt-kindergesundheit