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Archiv-Artikel

Wer hat das schönste Butterbrot?

WAS DER KÜHLSCHRANK HERGIBT Aus Brot lassen sich vierstöckige Torten bauen – mit Tomaten, Gurken und statt Sahne mit Crème fraîche. Dazu schmeckt heißes Apfelkompott und Schnaps

Was noch übrig war

Im Kühlschrank: Saure Sahne oder Crème fraîche, Frischkäse, Butter, Senf, Mayonnaise, jegliche Saucen, Wurst, Käse, Ei, Lachs, Krabben, Gemüse-, Grünzeug-, oder Obstreste (frisch oder aus der Dose), Zitronensaft, ein Dill- oder Fenchelzweig

Im Schrank: Äpfel, Brot (zum Beispiel Toast), eine Dose Thunfisch, ein Hochprozentiger, Kräutertee, eine Dose Mais, gehackte Nüsse, Rosinen, Haferflocken, Paniermehl

Immer da: Salz, Pfeffer

VON UNDINE ZIMMER

Butterbrote haben mich früher nie begeistern können. Brot essen war genauso langweilig wie Wasser trinken. Außerdem wird Brot schnell hart, frisches ist teuer, belegte Brötchen von außerhalb kamen für mich und meine Mutter mangels Geld auch nicht infrage. Und mein Pausenbrot lag meistens neben einer Banane und hatte dann nach ein paar Stunden auch deren Geschmack angenommen.

Umso größer war meine Verwunderung, als ich als Jugendliche in meiner neuen Wahlheimat lernte, dass die Schweden das Brotessen zu einem Fest weiterentwickelt hatten: Mit der Smörgåstårta – der Butterbrot-Torte. Auch bekannt durch die Muppet Show unter dem Lied des dänischen Kochs: „Smörrebröd, Smörrebröd, röm pöm pöm pöm.“ Das haben mir zumindest meine Bekannten vorgesungen, wenn ich auf Besuch in Deutschland war.

Während die Dänen das Butterbrot von üppig bis minimalistisch restauranttauglich gemacht und touristisch vermarktet haben, ist die schwedische Smörgåstårta ein nationales Festessen geblieben; eine übertriebene Schmierorgie von Zutaten und Brot, die dann tatsächlich nur noch mit dem Tortenheber zu bändigen ist.

Meine erste Butterbrot-Torte habe ich bald nach meiner Ankunft gegessen. Ich half damals gerne in der Küche meiner Kirchengemeinde mit, weil man sich dort nützlich machen und auch eine soziale Rolle auf den Festen der mir noch unbekannten Menschen einnehmen konnte. Und: Einen Grund zum Sprechen gibt es in der Küche immer. Ich machte so meine ersten Schwedisch-Gehversuche und konnte im Notfall auf Englisch zurückgreifen. Etwas kochen lernte ich außerdem.

Besondere Kochkünste braucht man für die Butterbrot-Torte aber nicht. Der Grundaufbau ist einfach: Eine große runde oder eckige Brotscheibe als Boden. Original ist Sandwichbrot. Ein Weiß- oder Graubrot quer durch den Brotlaib geschnitten oder dünnes arabisches Fladenbrot tun es auch. Alternativ kann man mehrere Scheiben Toast oder Vollkornbrot nebeneinanderlegen – damit sie gleichmäßiger anliegen, empfiehlt es sich, die Kanten abzuschneiden. Manche stechen auch mit einer Kuchenform einen runden Brotboden aus.

Insgesamt brauchen wir Brot für drei bis vier Lagen.

Als Aufstrich macht sich alles gut, was weich ist: Mayonnaise, Ketchup, Senf, Cocktailsauce und so weiter. Oder: Leberpastete, Roastbeef, auch Fisch. In Schweden wird die Torte gerne mit Krabben und Lachs zubereitet, die dann auch obendrauf als Deko erscheinen. Günstigere Varianten kann man mit Thunfisch- oder Hähnchensalat füllen. Also zum Beispiel ein bis zwei Dosen Thunfisch mit Mayonnaise, Salz, Pfeffer, etwas Zitronensaft, Kräutern und Maiskörnern mischen. Vegetarische Variationen sind mit gegartem Gemüse denkbar. Oder wie wäre es mit einer Käsefüllung, mit Tofu oder Omelette? Irgendetwas findet sich garantiert.

Die Torten werden zu Kunstwerken, mit Käseröllchensonnen und Olivensternen

Den Aufstrich und den Belag abwechselnd schichten. Die oberste Scheibe und die Ränder werden mit einer Mischung aus Crème fraîche und Frischkäse bestrichen.

Und nun ans Dekorieren! Es gibt wahre Kunstwerke mit Gurkenscheibenmustern an den Rändern, Tomatenblumen, Möhrenmosaik oder Käseröllchensonnen mit Olivensternen, Fenchelfächern oder Ei-Scheiben auf der Torte. Als Deko eignen sich auch Salatblätter oder gehackte Kräuter für die Seiten, ebenso Orangen- und Zitronenscheiben. Auch Pommes wären eine denkbare Variante. Und dann geht’s nur noch darum, wer die schönste Torte hat.

Da die Torte kalt ist, empfehle ich als Vorspeise warmes Apfelkompott: Einen Apfel (oder mehrere) schälen, in dünne Scheiben oder kleine Würfel schneiden und in Butter andünsten. Etwas Wasser dazugeben, mit Zucker und Zimt würzen und auf kleiner Flamme ziehen lassen, bis er weich ist. Das Kompott warm in einer kleinen Schüssel servieren, mit einem Tupfer Crème fraîche und ein paar Bröseln sieht das Kompott ganz edel aus (altes Brot, Zwieback, Paniermehl oder ein paar kurz angeröstete Haferflocken. Alternativ mit gehackten Nüssen und Rosinen).

Als Nachtisch würde sich nach dem massigen Essen ein Schnaps anbieten, zum Beispiel Wodka, vielleicht dekoriert mit einem frischen Dill- oder Fenchelzweig. Wer den gut versteckten Hochprozentigen gerade nicht findet, kann die Torte aber auch mit einem starken Kräutertee zum Schwimmen bringen.

Undine Zimmer, 34, hat früh gelernt, Lebensmittel möglichst effizient zu nutzen. Sie schreibt hier alle vier Wochen über das Kochen mit Resten. Im Fischer-Verlag ist kürzlich ihr Buch „Nicht von schlechten Eltern. Meine Hartz-IV-Familie“ erschienen

Die anderen Autoren: Philipp Maußhardt schreibt über vergessene Rezepte, die Köchin Sarah Wiener komponiert aus einer Zutat drei Gerichte, und der taz-Koch Christoph Esser beantwortet die Fragen der Leser zur Hardware des Kochens