: CDU und SPD reichen sich die Hände
IST ES VOLLBRACHT? Die Große Koalition ist vereinbart, die Genossen müssen jetzt abstimmen. Leserinnen und Leser der taz sind nicht im Geringsten von dem Ergebnis überzeugt. Weder sozialdemokratische noch ökologische Forderungen sehen sie erfüllt und sagen „Nein“
Links gewählt
■ betr.: „Merkel plus Betriebsrat“, taz vom 28. 11. 13
Die Schlussfolgerung von Herrn Reinecke: „Aber haben die Deutschen nicht genau dies ‚Weiter so‘ plus etwas mehr sozialen Ausgleich gewählt?“, stimmt nicht. Die Wähler/innen haben eine linkere Bundestagsmehrheit aus SPD plus Linken plus Grünen (319 Mandate zu 311 Mandate von CDU/CSU) gewählt. Nur setzen die Parteien, allen voran die SPD, diese linke Mehrheit nicht um. Deshalb müssen die Wählerinnen auf einen echten, gerechten Mindestlohn ebenso verzichten wie auf eine ökologische Energiewende und so weiter und so fort. ANNE SCHULZ, Köln
Das Fraßlied
■ betr.: „Die drei von der GroKo“, taz vom 28. 11. 13
Manche von den SPD-Mitgliedern erinnern sich vielleicht noch an die Lieder von Franz-Josef Degenhardt, auch wenn der kein SPD-Genosse war. Wenn ich dieser Tage das ganz große, deutsche Polit-Theater betrachte, kommt mir unweigerlich eines der Lieder von Degenhardt in den Sinn: „August der Schäfer hat Wölfe gehört, Wölfe mitten im Mai, zwar nur zwei, doch der Schäfer, der schwört, sie hätten zusammen das Fraßlied geheult. Das aus früherer Zeit, und er schreit, und sein Hut ist verbeult … Doch wer hört schon auf einen alten Hut und ist auf der Hut?“ Manchmal frisst der Wolf Kreide, um sein Ziel, die Geißlein zu fressen, zu erreichen. Im Märchen machen sie ihm die Tür auf und werden verschlungen bis auf das eine, das sich klugerweise im Uhrenkasten versteckt. Ich denke, es wäre nicht verkehrt, wenn die Genossen die Tür gar nicht erst öffnen. GABI AUTH, Essen
Sehr schade
■ betr.: „Verordnete Wachstumsstörung“, taz vom 28. 11. 13
Der Sieg der Kohlelobby verlangsamt die Energiewende um Jahrzehnte. Dies zeigt sich schon in den bescheidenen Ausbauzielen der erneuerbaren Energien. 2035 sollen erst 60 Prozent erreicht werden. Bereits für 2030 wären 75 Prozent machbar. Bis dahin werden Landwind- und Solarstrom wesentlich billiger sein als Atom- und Kohlestrom. Diese Verzögerung der Ausbauziele kommt uns deshalb teuer zu stehen. Dazu kommen noch die vermehrten Brennstoff- und Umweltkosten. Statt Kohlekraftwerke zu fördern, sind kleine flexible Gaskraftwerke, Ausbau und Forschung der Kombi-Kraftwerke, intelligenten Netze und Speicher zu fördern. Dadurch würde Deutschland einen großen Wettbewerbsvorteil erzielen. Sehr schade um die vergebene Chance. Der SPD-Basis bleibt nur noch, „Nein“ zu sagen. ARTUR BORST, Tübingen
Klassenkrieg
■ betr.: „Jetzt entscheidet das WIR“, taz vom 28. 11. 13
Vermögensabgabe? Vermögenssteuer? Angemessene Erbschaftssteuer? Deutschland hat den höchsten Anstieg der Lohnungleichheit laut OECD! Die Erbschaftsteuer wurde in den letzten Jahren so reformiert, dass heute ganze Konzerne praktisch steuerfrei vererbt werden können. Stärker wurden die Reichen in der Bundesrepublik wahrscheinlich noch nie entlastet wie heute. Wo finde ich in dem Koalitionsvertrag sinnvolle Gegenmaßnahmen dazu? Nirgends!
Leider hat Warren Buffett recht: „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“ (New York Times, 26. November 2006) Bravo SPD, dass ihr den Kampf aufseiten der Vermögenden weiterführt! Ich hoffe, die SPD-Basis sagt „Nein“ und diese SPD-Führung verschwindet endlich. DANIEL NEUBURG, taz.de
Bewusst frustriert
■ betr.: „Ein Volk von Masochisten“, taz vom 29. 11. 13
Frau Herrmann bringt es mit ihrer „Wählerbeschimpfung“ auf den Punkt. Nur: Wo sind denn diese anderen 50 Prozent der Wähler, die für diese Disaster-Groko verantwortlich sind? Wenn ich mich hier in Bayern umhöre, heißt es immer: „Die habe ich nicht gewählt.“ Ich wüsste da schon einiges zu fragen – aber es ist wie im Kindergarten: Es waren immer die anderen. Hatte ich am Anfang der Koalitionsverhandlungen noch einen leisen Hoffnungsschimmer, dass dringend notwendige Veränderungen eingebracht werden, auch genährt durch die Länge der Verhandlungen, so hat mich nun die bittere Realität eingeholt. Ich war immer eine, die gesagt hat: Nichtwählen ist keine Option für eine/n bewusste/n Staatsbürger/in. Jetzt bin ich eine bewusst frustrierte Staatsbürgerin. SIBYLLA NACHBAUER, Erlangen
Kein JA
■ betr.: „Die drei von der GroKo“, taz vom 28. 11. 13
Fliegen soll wieder billiger werden, dafür dürfen wir sicher bald alle Pkw-Maut zahlen. Volksentscheide gibt es nicht, die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge tragen alleine die Arbeitnehmer, die Rentengeschenke sollen aus den Beiträgen der Angestellten finanziert werden statt durch Steuererhöhungen, an der Energiewende müssen sich Großkonzerne weiter nicht beteiligen. Natürlich kommt der Mindestlohn erst 2015 ein wenig, dann 2017 richtig, aber natürlich mit Ausnahmen. Keine Bürgerversicherung, keine gerechtere Umverteilung und lauter Mehrbelastungen für die Normalverdiener. Da fragt man sich doch, wieso ein Genosse da mit JA stimmen sollte, außer er gönnt Gabriel die Vizekanzlerschaft und möchte Frau Nahles als Generalsekretärin endlich loswerden?! MARKUS MEISTER, Kassel
LESERINNENBRIEFE
Krampf statt Kampf
■ betr.: „Warten auf die Sozialdemokratie“, taz.de vom 27. 11. 13
Da quälten sich die SPD-Oberen so sehr, um Merkel & Co vielleicht 15 oder 20 Prozent ihrer SPD-Essentials (man muss schon genauer hinschauen) abzuringen, und könnten doch in einer rot-rot-grünen Koalition leicht 80 und mehr Prozent verwirklichen. Wer versteht so was?
Die Ankündigung, in künftigen Zeiten für Linksbündnisse offen zu sein, ist besonders perfide: Jetzt soll sie die Kritiker in den eigenen Reihen hinhalten, in vier Jahren aber stellt sich die Frage gar nicht mehr. Bis dahin hat Frau Merkel die SPD klitzeklein gemuttert, sie sozusagen zu einer Randerscheinung gemerkelt. Man könnte die jetzige Große Koalition, so denn die Genossen wieder mal mit gesenktem Haupte vermeintlich staatstragend einwilligen, auch also als Sadomasokoalition bezeichnen: masochistisch gegen die SPD selbst, die endlich mit ihrer 150-jährigen, eher unglücklichen Geschichte abschließen will, sadistisch gegen alle Freunde einer vitalen Demokratie. Krampf statt Kampf. Hallo, Genossen, euer Votum ist gefragt, wie wär’s mit „mehr Demokratie wagen“?
FRITZ PHILIPP MATHES, Pforzheim
Die Basis spricht
■ betr.: „Raus aus dem Stand-by-Modus“, taz.de vom 28. 11. 13
Der SPD-Politiker Thomas Oppermann meint, die Abstimmung der Partei sei eine „Bereicherung für die Demokratie“. Da hat er absolut Recht! Was er noch nicht wissen kann, allenfalls vermuten, ist, dass die Abstimmung für ihn persönlich keinesfalls zu einer Bereicherung führen wird. Das werden wir, die SPD-Basis, zu verhindern wissen.
Und deshalb ist meine Stimme gegen den Koalitionsvertrag – und damit gegen diese „Große Koalition der dreisten Ungerechtigkeit“ – gleichzeitig eine wunderbare Bereicherung für mehr Demokratie. Gast, taz.de
Die wahre SPD
■ betr.: „Warten auf die Sozialdemokratie“, taz.de vom 27. 11. 13
Wenn man bedenkt, dass der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel und die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles vor der Wahl immer von einem flächendeckenden Mindestlohn ohne Ausnahmen gesprochen haben, dass Thomas Oppermann den großen Aufklärer im NSA-Abhörskandal geben wollte, dass die SPD die Herdprämie abschaffen und die Autobahnmaut für Pkw verhindern wollte, so ist NICHTS geblieben.
Ich rufe alle SPD-Mitglieder auf, diesen Koalitionsvertrag abzulehnen! Zeigt eurer Führung, wie die wahre SPD denkt! antares56, taz.de
Ein demagogisches Manöver
■ betr.: „Merkel plus Betriebsrat“, taz vom 28. 11. 13
Sigmar Gabriel gibt nach außen den Betriebsrat, in Wahrheit agiert er demagogisch, wie die Regelung zur Rente mit 63 ohne Abschläge zeigt: Laut Groko-Vertrag sollen Arbeitnehmer, die 45 Jahre Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben, ohne Abschläge mit 63 Jahren in Rente gehen können. Das habe sie, so die SPD mit stolzgeschwellter Brust, zugunsten der Arbeitnehmer durchgesetzt. Wenn man genau hinschaut und rechnet, wer wirklich in den Genuss dieser Reglung kommt, bleiben kaum Menschen übrig. Auszubildende erreichen die 45 Jahre nur dann, wenn sie lückenlos beschäftigt sind und keine weitere Schullaufbahn beginnen. Heutzutage gehen Tausende Haupt- und Gesamtschüler/innen nach dem zehnten Schuljahr im Alter von oft 17 Jahren auf das Berufskolleg, weil sie keine oder nicht die gewünschte Lehrstelle finden, oder weil sie die Fachoberschule nachholen wollen. Dann werden sie etwa zwei Jahre dort geparkt, oft ohne den angestrebten Abschluss. Mit 19 Jahren kommen sie zum ersten Mal in die beitragspflichtige Beschäftigung. 63 Jahre minus 19 Jahre sind nur 44 Jahre, also zu wenig. Alle anderen Schüler/innen, die den Weg zum Abitur einschlagen und dann doch eher abbrechen, kommen ebenfalls nicht auf die 45 Jahre Beitragszahlung. Alle Abiturienten, die ein erfolgloses Studium abbrechen, ebenfalls nicht. Lehrlinge, die zügig mit der Berufsausbildung beginnen, aber nach einiger Zeit umschulen, ebenfalls nicht. Die Frage ist also: Wer bleibt übrig, um die nach dem neuen Gesetz nötigen 45 Jahre als Rentenversicherungs-Beitragszahler vollzukriegen? Fast niemand. Also ist die Regelung ein demagogisches Manöver der SPD, um ihre Klientel zur Zustimmung zu bewegen. BERND H. SCHOEPS, taz.de