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Archiv-Artikel

Rechnung ohne Gast

Der WM-Tourist meidet teure Betten und den Schlaf. Gemeinschaftliches Durchfeiern ist angesagt

Fußball-Fans schlafen nicht – zumindest während der Weltmeisterschaft. Nur vier Prozent der Übernachtungsmöglichkeiten in Nordrhein-Westfalen seien ausgebucht, teilte der Branchenverband Dehoga Gastgewerbe NRW gestern in Düsseldorf mit. 53 Prozent der Hoteliers seien demnach mit dem Buchungsverhalten der Fußballfans unzufrieden. „Die Auslastung liegt sogar noch unter der in einem Nicht-WM-Jahr“, heißt es aus Fachkreisen.

Betten, Jobs und Eintrittskarten scheinen im Fußball-Land nicht allzu begehrt zu sein. Dabei hatten Fachleute gerade für NRW mit einem Boom im Konsumverhalten bei der Fußball-WM gehofft. So wurden vor zwei Jahren 150 Experten von öffentlichen und privaten Entscheidungsträgern und potenzielle Investoren nach ihren Erwartungen gefragt. 91 Prozent rechneten für die WM mit einer Verbesserung des Konsumklimas.

„Landesweit sind bis zu zwei Milliarden Euro an Konsum-Zuwächsen denkbar“, sagte Werner Stürmann, damaliger Abteilungsleiter im NRW-Sportministerium, im Juli 2004 auf einer Konferenz in der Arena AufSchalke. Als Boom-Branchen galten IT-Technologie und Eventdienstleistungen – und hier besonders das Hotel- und Gaststättengewerbe. 4.000 neue Stellen sollten neu geschaffen werden. Daraus geworden sind weniger als die Hälfte, gab die NRW-Arbeitsagentur vor kurzem zu. Da haben die Wirte die Rechnung ohne die Gäste gemacht. Immerhin wollen die Dienstleister nun die Preis senken und WM-Specials anbieten.

Doch der Erfolg scheint zweifelhaft. Selbst die Sonder-Angebote werden nur zögernd angenommen. Im „Fan-Camp“ in den Dortmunder Westfalenhallen stehen 4.000 Betten zur Verfügung. Die Gäste zahlen für drei Übernachtungen 105 Euro, Nahverkehrs-Ticket inklusive. Ein Nacht im Hotel ist kaum billiger.

Insgesamt 44.000 Fans können während der WM in dem Großraumhotel übernachten – ein Viertel der Betten seien bislang ausgebucht, Westfalenhallen-Geschäftsführer Ralph Huber. Menschen aus bislang 30 Nationen hätten gebucht, vor allem Schweden, Schweizer und Japaner. „Es werden täglich mehr, wir rechnen aber auch mit ganz kurzfristigen Anfragen.“ 100.000 Liter Bier stehen zum Verkauf. „Unsere Fans werden die Nächte durchfeiern“, sagte Huber. Kein Wunder, dass sie auf teure Hotelbetten und exklusive Cocktail-Bars verzichten können. HOLGER PAULER