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Archiv-Artikel

Der Hausarzt muss punkten

Baustellen der Gesundheitsreform – Teil 1: Honorare für Praxisärzte

Von ALE

Nächste Woche wollen Fachpolitiker aus Union und SPD ihr Konzept zur Gesundheitsreform vorstellen. Wir stellen täglich eine Reformbaustelle vor.

Manchmal träumt Günther Egidi von Dänemark. Der Arzt für Allgemeinmedizin hat eine kleine Praxis in Bremen, in der täglich etwa 60 Patienten ein und aus gehen. „In Dänemark betreut ein Hausarzt nur 24 Patienten täglich“, lobt Egidi. Die dänischen Kollegen dürfen nur eine bestimmte Anzahl von Patienten betreuen. Sie erhalten pro Patient auch eine Pauschale– egal ob er erscheint oder nicht.

Ein bisschen Dänemark soll bald auch in Deutschland sein. Aus der Reformrunde der Koalitionspolitiker verlautete, man wolle niedergelassene Ärzte künftig ausschließlich pauschal bezahlen. Es soll je nach Fall verschiedene Pauschalen geben. So können sich Ärzte ausrechnen, wie viel Geld der Patient wert ist.

Bisher gilt das deutsche Punktesystem. Die niedergelassenen Ärzte rechnen bei den Krankenkassen ab. Je mehr ein Arzt am Patienten herumdoktert, desto mehr kann er abrechnen. „Die Patienten werden erzogen, wegen jedes Schnupfens zum Arzt zu rennen. Um die schweren Fälle kann man sich nicht richtig kümmern“, kritisiert Egidi.

Um zu verhindern, dass jeder jede Leistung abrechnen kann, sind die Budgets für die Niedergelassenen begrenzt, die bei den gesetzlichen Krankenkassen unter Vertrag sind. Die Mediziner müssen nach einem Katalog abrechnen, in dem beispielsweise die hausärztliche Betreuung eines Patienten deutschlandweit mit 90 Punkten bewertet wird.

Dennoch es gibt es regionale Unterschiede. Die Punkte sind unterschiedlich viel wert. Das führt dazu, dass Deutschland zwar ein sehr dichtes ambulantes Netz hat, die Menschen im sächsischen Erzgebirge etwa trotzdem über Ärztemangel klagen. Der Grund: chronische Unterfinanzierung der Landärzte.

Wie viel Geld ein Arzt für eine Behandlung bekommt, ist zudem erst am Ende eines Quartals klar. Dabei gilt: Je weniger Geld die Krankenkassen haben und je häufiger eine Leistung erbracht wurde, desto weniger ist sie wert. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVs) handeln mit den Krankenkassen ein festes Budget aus. Für jedes zahlende Mitglied, ob krank oder gesund, zahlen die Kassen den KVs eine Pauschale. Die KV verteilt das Geld an die Ärzte. Ist das Budget aufgebraucht, wird die Leistung nicht mehr vergütet. Die Kritik der Freiberufler: Ein Drittel ihrer Arbeit leisten sie unentgeltlich. „Es muss mehr Geld ins System“, so der Sprecher des KV-Bundesverbandes, Roland Stahl.

Jörg Trinogga von der AOK Brandenburg ist vorsichtig: „Mehr Geld bedeutet nicht mehr Gerechtigkeit.“ Sein Vorschlag: Ärzte, die viel verdienen, sollten einen Teil ihrer Einnahmen an Kollegen in unterversorgten Regionen abgeben. „Uns wurde sozialistische Gleichmacherei vorgeworfen“, berichtet Trinogga. ALE