: „Eine Pionierleistung“
VORTRAG Vor 100 Jahren wagte sich Alfred Wegener mit drei Kollegen durchs Nordgrönland-Eis
■ 68, Kapitän, Physiker und seit 1984 Wissenschaftshistoriker am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven.
taz: Herr Krause, sind Sie ein Abenteurer?
Reinhard Krause: Ich bin eher ängstlich, aber segele auch einhand und habe eine große Zahl von Expeditionen in die Arktis und die Antarktis mitgemacht.
Vor 100 Jahren durchquerte Alfred Wegener das Inlandseis von Nordgrönland …
1912 sind er und der Glaziologe Johann Peter Koch mit zwei Helfern losgereist. Die eigentliche Querung haben sie im Jahr 1913 durchgeführt, von der Ostküste zur Westküste Grönlands über 1.000 Kilometer.
Welche Erkenntnisse erhofften sich die Forscher?
Die Querung des Inlandseises war eine wirkliche Entdeckungsreise – wobei es nichts zu entdecken gab, außer der Tatsache, dass es im Zentrum eine Eiskappe von 3.000 Metern Höhe gibt. Das war nicht bekannt, eine Pionierleistung. Man konnte damals auch noch nicht darüber fliegen, das kam erst 20 Jahre später.
Welche Schwierigkeiten tauchten auf?
Diverse. Sie mussten die Ostküste überhaupt erst erreichen, im Mai ist sie durch einen riesengroßen Eisstrom versperrt. Im Randgebiet des Inlandseises mussten sie auf einem Gletscher überwintern und dann mit dem ganzen Gepäck 3.000 Höhenmeter bezwingen. Als Zugtiere hatten sie Pferde, von denen hat nur eines überlebt.
Sie hatten keine Schlittenhunde?
Nein, die kann man nur gebrauchen, wenn man an der Küste unterwegs ist, und ihnen hin und wieder Robben als Nahrung schießen kann.
Wie viel einfacher wäre die Expedition heute?
Heute latschen die Leute mit GPS übers Eis. Damals wussten die vier nicht mal, wie sie einen günstigen Aufstieg finden. Zum Schluss hatten sie den Proviant aufgebraucht. Sie mussten auf der Westküste ein zuvor hinterlegtes Depot finden. Das haben sie mit viel Glück geschafft, aber der Abstieg auf der Westküste war das gefährlichste Abenteuer der ganze Reise.
Also war es mehr Abenteuer als Wissenschaft?
Wegener und Koch haben glaziologische Untersuchungen gemacht, geologische Beobachtungen, die Ergebnisse füllen fast 700 Seiten. Es waren ausgekochte Wissenschaftler, aber das Wagnis war ihnen bewusst. Es war eine Forschungsreise mit abenteuerlichem Hintergrund. Interview: JPB
18.30 Uhr, Überseemuseum