: Hamburg schert aus
Hamurgs Klinikarbeitgeber akzeptieren den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst nicht. Sie wollen Ärzten mehr und den übrigen Beschäftigten weniger zahlen. Ab nächste Woche wird wieder gestreikt
von ELKE SPANNER
Hamburg schert aus der Tarifgemeinschaft der Länder aus. Der Krankenhaus-Arbeitgeberverband der Stadt (KAH) weigert sich, in seinen Kliniken den Tarifvertrag der Länder zu übernehmen, den diese am 19. Mai nach 14 Wochen Streik im öffentlichen Dienst abgeschlossen haben. Die Verhandlungen der KAH mit der Gewerkschaft ver.di sind an diesem Punkt geplatzt.
Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose forderte nun Bürgermeister Ole von Beust (CDU) in einem Brief auf, den Tarifvertrag in den Kliniken zu übernehmen, die mehrheitlich im Besitz der Stadt sind. Auch Ricarda Schackmann, Mitglied der Bundesverhandlungskommission, hält dem Hamburger Senat vor, dass er schließlich zum Tarifabschluss der Länder beigetragen habe. „Warum soll er jetzt nicht in Hamburg gelten?“
Während durch die Verweigerungshaltung der Krankenhäuser dem Pflegepersonal und nichtärztlichen Beschäftigten eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen droht, kommen auf die Krankenhausärzte finanziell bessere Zeiten zu. Deren Gewerkschaft Marburger Bund hat in der Zwischenzeit eigene Verhandlungen mit dem KAH geführt – und bereits in einem „Vorschalttarifvertrag“ Einigungen über die künftige Arbeitszeitgestaltung erzielt. Auch das kritisiert ver.di scharf: „Eine tarifliche Sonderbehandlung der Ärztinnen und Ärzte gegenüber der großen Mehrheit der Beschäftigten empfinden wir als unhaltbare Privilegierung und Provokation: Eine Unterteilung in Leistungsträger und Kostenfaktoren darf es nicht geben.“
Dass die Ärzte ihr eigenes Süppchen kochen, wird auch von etlichen Kollegen kritisiert. „Im Operationssaal arbeiten die Beschäftigten der verschiedenen Berufsgruppen als ein Team“, erklärt Karl-Günther Mühlenpfort, Internist am Allgemeinen Krankenhaus Harburg. Dennoch setze sich unter den Ärzten derzeit offenbar eine Fraktion durch, die sich das „elitäre Arztsein“ wieder auf die Fahnen geschrieben habe. Das sei ein Rückschritt um Jahrzehnte. Er betonte, dass es „auch viele Ärzte gibt, die einen solidarischen Tarifabschluss wollen“. Der Teamgedanke sei aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. „Deshalb brauchen wir einen gemeinsamen Tarifvertrag für allen Klinikbeschäftigten.“
Statt über die Übernahme des Ländertarifvertrages zu sprechen, habe der KAH am letzten Verhandlungstermin am Dienstag Forderungen zur Absenkung der Gehälter der Krankenhausmitarbeiter auf den Tisch gelegt, die ver.di als „blanke Provokation“ bezeichnet: Die Krankenhausunternehmen fordern eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit für Pflegekräfte auf 41 Stunden und die völlige Streichung von tariflichen Einmalzahlungen, Urlaubs und Weihnachtsgeld. Auf rund 17 Prozent ihres derzeitigen Lohnes müsste das nichtärztliche Personal damit verzichten. Das falle meilenweit hinter die bundesweiten Standards zurück – und verschärfe das Zweiklassensystem an den Kliniken. „Das werden sich die Kollegen nicht gefallen lassen“, prophezeite Katharina Ries-Heidtke, Mitglied der Hamburger ver.di-Verhandlungskommission. Und kündigte einen ersten Warnstreik der Beschäftigten der KAH-Kliniken am Donnerstag kommender Woche an.