Kein Kabeljau auf den Teller

Das Hamburger Institut für Seefischerei hält den Nordseekabeljau nicht für gefährdet. Im Interview hält Greenpeace-Meeresexpertin Stephanie Werner dagegen. Auf den Verzehr solle bis auf weiteres verzichtet werden

taz: Ist der Kabeljau in der Nordsee vom Aussterben bedroht?

Stefanie Werner: Ja. Seit den achtziger Jahren treibt die zunehmende Überfischung diese Entwicklung voran. Der Kabeljaubestand ist nach Schätzungen des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES), eines regierungsunabhängigen Expertengremiums, auf derzeit unter 50.000 Tonnen geschrumpft. Als Mindestbestand für eine erfolgreiche Arterhaltung gelten jedoch mindestens 150.000 Tonnen.

Trotzdem sieht der Direktor des Hamburger Instituts für Seefischerei, Siegried Ehrich, den Kabeljau nicht als gefährdet an, da die hiesigen Bestände in der Nordsee im Zuge von Wanderungsbewegungen durch Fische aus dem Atlantik aufgestockt würden.

Dies mag in Ausnahmefällen vorkommen. Normalerweise hat der Kabeljau aber festgelegte Wanderungsrouten, anhand derer sich die verschiedenen Populationen, etwa von Nordsee und Atlantik, abgrenzen lassen.

Wie bewerten Sie die von der EU für 2006 festgelegte Fangquote?

Die Fangquote wird nach wie vor weniger durch Umweltaspekte als vielmehr durch wirtschaftliche Forderungen der Fischereilobby beeinflusst. Für die Nordsee wurde sie auf 20.000 Tonnen veranschlagt. Das entspricht in etwa der Hälfte der gegenwärtigen Bestandes und richtet sich gegen die Empfehlung der ICES, die seit 2002 eine Einstellung des Kabeljaufangs in diesem Gewässer fordert. In der Ostsee ist die Situation zwar weniger prekär, doch könnte die für 2006 beschlossene Erhöhung der Fangmenge um 6.000 Tonnen auf insgesamt 45.000 Tonnen auch hier zu einer Verschärfung der Lage beitragen.

Welche Forderungen stellt Greenpeace um die Erholung der Kabeljaupopulation zu fördern?

Wir schließen uns der Position der ICES an und fordern die Einrichtung von wirtschaftlich ungenutzten Schutzgebieten, die 40 Prozent der Nord und Ostsee umfassen sollten. In diesen Zonen könnten sich die Populationen wieder stabilisieren – eine Entwicklung, von der letztlich auch die Fischereiindustrie profitieren würde.

Sollten wir Kabeljau in Zukunft auf dem Teller meiden?

Da derzeit nur eine unzureichende Kennzeichnungspflicht für Fischprodukte besteht und die Rückverfolgbarkeit kaum gewährleistet ist, sollte vorerst auf den Genuss von Kabeljau verzichtet werden.INTERVIEW: BJÖRN KUNZE