: Pillen und Pulver sollen billiger werden
Die Baustellen der Gesundheitsrefom – Teil 2: Der Kampf gegen die stetig steigenden Medikamentenpreise
BERLIN taz ■ Einmal in der Woche geht Frau B. zum Arzt. Immer zu einem anderen. Frau B. ist Beratungsapothekerin bei der AOK. Sie schlägt niedergelassenen Ärzten vor, welche Medikamente sie durch billigere oder bessere ersetzen könnten. „Manche verordnen schon sehr wirtschaftlich, bei anderen gibt’s noch erhebliche Einsparpotenziale“, berichtet sie. Ihr Einblick in die Verschreibungspraxis der Ärzte ist äußerst begrenzt, doch fest steht: Die Krankenkassen haben im vergangenen Jahr mehr Geld für Arzneimittel ausgegeben als für Arzthonorare. Über 25 Milliarden Euro wurden von den gesetzlichen Krankenversicherungen an die Pharmahersteller überwiesen. Das soll sich ändern.
Ab 2007 werden die Mediziner mit der Malusregel diszipliniert. Ärzte, die ihre Medikamentenbudgets überschreiten, müssen Geldbußen zahlen. Die genauen Bedingungen wollen die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder noch festlegen. Außerdem haben die Spitzenverbände der Krankenkassen im Mai neue – zumeist niedrigere – Höchstpreise für verschiedene Gruppen von Arzneimitteln bestimmt. Ziel ist es, dass die Ärzte mehr günstige Nachahmerprodukte, Generika genannt, statt teurer Originalpräparate verordnen. Die Marktführer der Generikabranche, Hexal, Stada und Ratiopharm, haben bereits angekündigt, die Preise für ihre Produkte entsprechend zu senken. Die erhofften Einsparungen könnten zwischen 10 und 100 Millionen Euro betragen.
In der Reformrunde der Fachpolitiker aus SPD und Union wird außerdem diskutiert, Ärzten vorzuschreiben, bei besonders teuren Therapien die Expertise eines Kollegen einzuholen. Außerdem sollen die Krankenkassen direkt mit den Pharmafirmen verhandeln dürfen. Die AOK Berlin praktiziert das bereits. Die Kasse hat Rabatte mit der Firma Ratiopharm ausgehandelt und ein Forum eingerichtet, in dem sich Ärzte regelmäßig über Preise und Produkte auf dem Markt informieren.
Der einzelne Arzt kann leicht den Überblick über die 70.000 Produkte, die derzeit hergestellt werden, verlieren. Deshalb erwägt die von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) geleitete Runde, auch eine staatliche Lenkungsinstanz zu etablieren. Das entsprechende Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) existiert bereits, es blieb aber auf Wunsch der CDU bisher machtlos. Es prüft zwar den Nutzen neuer Arzneimittel, darf ihn jedoch nicht in Relation zu ihren Kosten stellen. Das könnte sich demnächst ändern.
Peter Kolominsky-Rabas, Gesundheitsökonom am IQWIG, sieht jedenfalls Einsparmöglichkeiten: „Arzneimittel ohne therapeutischen Nutzen sollten von der Erstattung ausgenommen werden.“ Er verweist auf Analogpräparate, die als Neuheiten auf den Markt kommen, sich gegenüber gängigen Mitteln aber nur durch ihren saftigen Preis auszeichnen. Im Arzneimittelreport von 2005 heißt es dazu: „Sie machen den größten und ärgerlichsten Anteil an den Kostensteigerungen aus – im Jahre 2004 etwa 80 Millionen Euro – und könnten problemlos durch günstigere Medikamente ersetzt werden.“ ANNA LEHMANN