: Göppinger CDU steht zum „AK Hitler“
UNION In Baden-Württemberg sorgt ein Kreisverband der Jungen Union mit rechten Parolen für Wirbel
NICOLE RAZAVI, CDU-KREISCHEFIN
BERLIN taz | Die „Überfremdung“ koste Milliarden, die gleichgeschlechtliche Ehe sei „falsch und unsinnig“ und der Ausbau von Krippenplätzen „marxistisch“. Was sich wie ein rechtsextremes Pamphlet anhört, stammt aus einer Erklärung der Jungen Union (JU) im baden-württembergischen Göppingen, die für Wirbel sorgt.
In der sogenannten Eislinger Erklärung fordert der Kreisverband die Rückbesinnung der CDU auf ein „konservatives Profil“ und eine „christliche Leitkultur“. Die Autoren wenden sich gegen „muslimische Elemente in der Öffentlichkeit“ und wünschen sich mehr Nähe zur islamfeindlichen Bewegung Pro Köln, fordern eine „Abkehr von der Selbstgeißelung mit den Verbrechen des Dritten Reiches“ und beklagen einen „Verlust der deutschen Ostgebiete“.
Inzwischen wird die Erklärung von anderen Parteien heftig kritisiert. Als „ausländerfeindlich, homophob, nationalistisch, frauenfeindlich und reaktionär“ bezeichnete der Landeschef der Grünen, Chris Kühn, die Erklärung und forderte den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) auf, sich zu distanzieren. Am Mittwoch bezeichnete auch der Göppinger Bundestagsabgeordnete Werner Simmling (FDP) die Erklärung als „rückwärtsgewandt“. Das Positionspapier sei nicht nur „überzogen und falsch formuliert“, sondern zeichne „ein falsches Bild vom Zusammenleben der Menschen im Landkreis“.
Auch in der CDU blieb es nicht unumstritten: Mitte Mai trat der Göppinger CDU-Stadtrat Stefan Horn aus der Jungen Union aus. Vieles, was in dem Papier stehe, liege an der Grenze zum Rechtsextremismus, sagte er. Etliche JU-Mitglieder sprächen inzwischen auch kritisch vom „AK Hitler“.
Doch die örtliche CDU hat sich offiziell hinter ihre Nachwuchsorganisation gestellt. „Die CDU im Kreis distanziert sich nicht von der Jungen Union“, sagte Kreischefin und Landtagsabgeordnete Nicole Razavi, die einst Mappus’ Büroleiterin war, in einem Interview mit der Südwest Presse. „Eine Jugendorganisation darf Dinge anders sehen. Die Mitglieder der CDU sind älter und haben mehr Lebenserfahrung.“ Mit dem Papier habe die Organisation versucht, zu provozieren und eine „Diskussion auszulösen“. Der JU-Kreisvorsitzende Kai Steffen Meier wies den Vorwurf zurück, dass sich das Papier rechtsextremer Vokabeln bediene: „Wir haben Maximalforderungen gestellt, um uns Gehör zu verschaffen.“ Der Kreisverband der Linken forderte daraufhin Razavis Rücktritt.
Das Strategiepapier der Arbeitsgruppe „Konservatives Profil“ des JU-Kreisverbandes war bereits Ende März auf der Internetseite der JU Göppingen erschienen. Doch bekannt wurde es erst zwei Wochen später durch einen Bericht der rechtsgerichteten Zeitung Junge Freiheit. In dem Papier werden auch Unionspolitikerinnen angegriffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Forschungsministerin Annette Schavan werden beispielsweise für ihren Einsatz in der Stammzellenforschung kritisiert. Diese widerspreche christlichen Grundwerten. Und die ehemalige Familienministerin Ursula von der Leyen, so die Autoren, stehe mit ihrer Krippenpolitik für „die Zerstörung der wesentlichen Grundlage der Gesellschaft und der Grundlage der Union als Volkspartei“. LALON SANDER