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Archiv-Artikel

Im Klo soll es klimpern

ENTLEERUNG Bei einer gemeinsamen Leberreinigungskur unter Freundinnen sollen Gallensteine weichgeklopft und ausgeschwemmt werden. Ein Wochenende am Meer mit ungewissem Ausgang

Leber, Stein und Kur

Die Leberkur nach Hulda Clark ist ein naturkundliches Entgiftungsverfahren. Durch Entfernung von Steinen, „Gummibällchen“ und Gries aus den Gallenwegen, soll die physiologische Entgiftung besser funktionieren und eine spätere Gallenstein-Operation umgangen werden. Das Konzept der Clark-Therapie bewegt sich außerhalb der wissenschaftlichen Medizin und Biologie.

Der Gallenstein ist ein festes, kristallisiertes Ausfallprodukt der Galle (Gallenflüssigkeit). Gallensteine entstehen durch ein Ungleichgewicht löslicher Stoffe in der Galle. Allgemein wird das Vorhandensein eines Gallensteins als Gallensteinleiden oder Cholelithiasis bezeichnet.

von Waltraud Schwab

Es gibt Dinge, die soll man nur mit Freundinnen machen. Mit guten Freundinnen. Solchen, mit denen man das Bad teilt. Während die eine mit der rechten Hand die Zähne putzt und mit der linken Hand Haare aus dem Abfluss zieht, sitzt die andere – es ließ sich nicht vermeiden – auf dem Klo. Eine so nahe Freundschaft hilft bei einer Leberreinigungskur. Denn da geht es um Ausscheidungen. Um Stuhlgang, Gallensteine, Durchfall. Um Bittersalz, Wärmflaschen und die Gewissheit, die Schulmedizin in Weißglut zu versetzen.

Ort, Zeit und das beteiligte Personal dieses Reinigungsrituals sind also klar: Es spielt sich irgendwann, irgendwo in der Republik ab – vorwiegend in Küchen, Schlafzimmern und Toiletten. Zur Vollständigkeit sei noch verraten: im April und am Meer. Und sie spielt unter Freundinnen. Guten Freundinnen eben. Das war selbstverständlich nicht immer so.

Aber nichts ist besser fürs Versöhnen als eine Leberreinigungskur. Leberreinigung – da wird Ärger weggespült. Wo einem früher die Galle hochkam, wird sie jetzt sauber geputzt. Denn wie Du und Ich gehören Galle und Leber zusammen. Nach der Leberkur können sich Zerstrittene wieder leiden. Der sekundäre Reinigungsgewinn ist gewiss.

Im Falle unserer Leberkur handelt es sich um zwei Freundinnenpaare. Das Paar AB und das Paar XY. Ich bin übrigens X. Zerstritten war ich lange mit B. Zu uns gesellt sich zudem die Schwester von A. Sie soll A-Schwester heißen. In diesem Setting wird demnach auch Geschwisterrivalität noch in Geschwisterliebe verwandelt.

Die Leberkur wurde von Hulda Clark konzipiert. Sie beginnt mit Verzicht. Keinen Kaffee, keinen Käse, kein Fleisch und kein Bier. Obst und Gemüse dagegen können genossen werden. Und viel Apfelsaft dazu. Denn butterweich, heißt es, werden die Gallensteine davon. Dass jeder Mensch welche hat, daran bestehe kein Zweifel. Wer dieses Ernährungsprogramm eine Weile gemacht hat, nähert sich dem Großreinemachtag.

Ich, alias X, muss dazu sagen, dass ich bei der Vorbereitung nicht richtig zugehört hatte, was B, die Leberkurerfahrung hat, sagte. Deshalb dachte ich, wir machen eine Woche Askese und dann geht es ans Ausscheiden. Weit gefehlt. Drei Tage vor der Abfahrt und damit gerade rechtzeitig, damit wir das mit dem Apfelsafttrinken noch hinbekamen, erfuhr ich, dass unser Putztag der Ankunftstag war.

Schon im Zug sollten wir aufhören zu essen. Aber wie soll das gehen, wenn man mit einer Berlinerin reist, die den Kalten Krieg noch erlebt hat? Egal wo Y hinfährt, Proviant nimmt sie auf jeden Fall mit. „Kann doch sein, dass man an eine Grenze kommt und stundenlang festsitzt“, sagt sie. In ihrer Vorstellung sind Grenzen plötzlich da und man weiß nicht wieso.

Als Y und ich nachmittags endlich am Meer ankommen, – Grenzen tauchten auf dem Weg übrigens keine auf –, werden wir von AB mit einer Tasse heißem Wasser begrüßt. Ich lasse mir nachgießen.

Um 18 Uhr versammeln wir uns erneut am Küchentisch von AB. Jeder von uns wird ein Glas aufgelöstes Bittersalz gereicht. Ein Abführmittel. Gott, wie süß schmeckt Wasser, mit dem wir den bitteren Geschmack auf der Zunge am Ende neutralisieren. Als wir uns zwei Stunden später zum nächsten Glas Bittersalz treffen, hat es nur eine von uns schon aufs Klo getrieben. Wer, so lautete die Ansage, bis halb zehn keinen Stuhlgang hat, soll einen Einlauf machen. Das also auch noch.

Aber Y wird schon kurz nach acht Uhr erlöst. Sie eilt ins Bad. Ich dagegen liege mit Wärmflasche auf dem Bauch im Bett und studiere die Anleitung des Irrigators. Das hätte ich bleiben lassen können. Denn als sich Y gerade entspannt, treibt’s mich aufs WC – eine Dreiviertelstunde lang.

Ein Cocktail wird gereicht. Grapefruitsaft gemischt mit Olivenöl. Ein Viertelliter. Man schüttelt’s und trinkt’s

Entleert treffen wir uns um 22 Uhr also zum Finale. Ein neuer Cocktail wird gereicht. Olivenöl gemischt mit Grapefruitsaft. Ein Viertelliter mindestens. Man schüttelt’s, trinkt’s, legt sich sofort ins Bett und verbringt eine Nacht im Bauch damit. Morgens, das war das Versprechen, klimpert’s im Klo. Gegner dieser Methode behaupten, Grapefruitsaft, Galle und Öl gäbe Olivenseife. Nachts sei der Körper nichts anderes als eine Seifenfabrik.

„Hat es geklimpert“, frage ich Y, als ich merke, wie sie morgens aufs Klo eilt. Ich hatte gar nicht mal schlecht geschlafen. „Lauter graue Klümpchen“, antwortet sie. Dutzende. Immer wieder muss sie. Immer wieder graue Kügelchen mit zerklüfteter Struktur. Ob das Seife ist? Klimpern tun sie jedenfalls nicht. Bei mir dauert es länger, bis Ergebnisse in der Kloschüssel schwimmen. Sie sehen anders aus als die von Y. Meine sind tannengrün. Manche fingernagelgroß. Ich fische einen heraus und – sie haben es bis hierhin geschafft, da schaffen sie auch den Rest – rieche daran. Es riecht nach Gras. Schaum entwickelt es keinen beim Händewaschen.

Später am Küchentisch, als es den ersten Apfelschnitz gibt, tauschen wir uns in aller Ausführlichkeit aus. Y meint, ihr hätte die Aktion bestimmt eine Gallenstein-OP erspart. Hunderte Kügelchen sei sie losgeworden. Das soll nicht ungewöhnlich sein. Bei A wiederum kam so gut wie gar nichts. A-Schwester und ich trumpfen mit tannengrünem Zeug auf. Bei B war das Ergebnis unbestimmt. Ein wenig von da und von dort.

Die Kur sollte eine Woche dauern. Aber was machen wir jetzt, frage ich, nachdem das Großreinemachen vorbei ist. Wir kochen reihum gesundes Essen, antwortet B, der das Kommando oblag, und verwöhnen uns so. Unversehens geraten wir dabei in einen Wettstreit, der in Schlemmerei endet. Löwenzahnsalatkomposition, Spargelbouquet, geeiste Primelblüten, sizilianische Orangen mit Zwiebeln, gebackener Hering in Kokos, gefüllte Datteln – was uns einfällt. Schlemmen ist die Kür. Aber keine Kur ohne Pflicht. Zur Abkühlung gibt es Baden im eiskalten Wasser des Meeres. Versöhnung soll man schon spüren.