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Archiv-Artikel

„Wir haben nur konsequent weitergedacht“

TELEFONSCHERZ Er soll im Namen von Andrea Nahles SPDlern gedroht haben. Jetzt spricht der Mann, der sich Michael Wiegand nannte

Anrufe bei SPD-Mitgliedern

■ Die Tat: Am Mittwoch schlug die SPD Alarm. Ein Unbekannter habe sich unter dem Namen „Michael Wiegand“ bei koalitionskritischen SPD-Mitgliedern gemeldet und sich als Mitarbeiter von Generalsekretärin Andrea Nahles ausgegeben. Dann habe er gedroht: Sollten die Mitglieder bei dem laufenden Mitgliederentscheid nicht für eine Große Koalition stimmen, drohten Konsequenzen.

■ Die Folgen: Die SPD erstattete Strafanzeige, jetzt ermittelt das Bundeskriminalamt. Der Fall liegt bei der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt.

■ Die Bekenner: Am Donnerstag bekannte sich ein „Kommando Gerhard Schröder“ auf der Homepage der Hedonistischen Internationalen (HI) zu der Aktion. Bei der HI handelt es sich um eine linke Spaßguerilla, die für satirische Protestaktionen bekannt ist. Zuletzt war die HI etwa für den damaligen Minister Karl-Theodor zu Guttenberg auf die Straße gegangen. Slogan: „Raubkopierer sind keine Verbrecher!“

■ Das Interview: Ist nicht erfunden. Allerdings baten die Aktivisten darum, weiter den Namen Michael Wiegand nutzen zu dürfen.

INTERVIEW MARTIN KAUL

taz: Herr Wiegand, es heißt, Sie hätten in den vergangenen Tagen im Namen von Andrea Nahles bei widerspenstigen SPD-Mitgliedern angerufen und ihnen mit empfindlichen Konsequenzen für ihre Karriere gedroht, falls diese bei dem Mitgliedervotum gegen eine Große Koalition stimmen. Ist das korrekt?

Michael Wiegand: Von Drohungen kann keine Rede sein. Natürlich wurden die Gesprächspartner darauf hingewiesen, dass sie sich mit dem angekündigten „Nein“ ins innerparteiliche Abseits befördern. Aber vor allem wurde Überzeugungsarbeit geleistet. Dabei wurden ausschließlich Argumente und Sätze verwendet, mit denen der SPD-Vorstand in den letzten Wochen in den Medien zitiert wurde. Dass diese teilweise als Drohungen ausgelegt werden können, ist ja nicht unsere Schuld.

Sie nennen sich „Kommando Gerhard Schröder“. Wen genau haben Sie denn so kontaktiert?

Es wurden mehr als 100 Mitglieder und Funktionäre angerufen, die sich öffentlich gegen die Große Koalition positioniert haben. Darunter zahlreiche Jusos, die im Vorfeld des Bundeskongresses auf Linie gebracht werden mussten. Der bekannt gewordene Anruf bei Fabian Verch (Vorsitzender der SPD Bruchsal in Baden-Württemberg; Anm. d. Red.) ist nur die Spitze des Eisbergs.

Woher hatten Sie die Telefonnummern?

Die Nummern wurden uns von einer ranghohen Kontaktperson aus dem Willy-Brandt-Haus zugespielt.

Was haben Sie den Leuten erzählt?

Wir haben nur die Positionen des SPD-Vorstands wiedergegeben. Diese haben wir den Statements in der Presse und der Musterrede entnommen, die die Partei zuletzt an SPD-Funktionäre verschickt hatte. Und wir haben verdeutlicht, dass ein „Nein“ undemokratisch sei, die 150-jährige Geschichte der SPD bedrohe und die Nein-Sager sich ins innerparteiliche Abseits bewegen könnten. Das alles haben wir mit Zitaten von Willy Brandt angereichert. Das kommt bei uns Sozialdemokraten immer gut an.

Sagen Sie mal, was Ihr schönster Satz war.

Denke an Willy Brandt. Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört. Das kannst du durch dein „Ja“ möglich machen. Komm, lass uns möglichst viele Genossen für dieses große Projekt mitnehmen.

Klingt ja ganz lustig. Andrea Nahles sieht das aber naturgemäß anders. Sie hat Strafanzeige erstattet, das Bundeskriminalamt ermittelt. Die Generalstaatsanwaltschaft führt das Verfahren.

Wir bedauern sehr, dass Andrea Nahles unseren Akt der Solidarität zumindest öffentlich nicht als solchen schätzt. Wir haben uns ja angeschaut, wie der Parteivorstand aktuell die Mitglieder sogar in den Wahlunterlagen beeinflusst und haben nur diese Strategie konsequent weitergedacht. Wir hätten uns für diese Vorgehensweise mehr Rückendeckung aus dem Parteivorstand gewünscht. Aber das ändert nichts an unserer Einstellung: „Mehr Telefonie wagen“ darf nicht bloß ein Lippenbekenntnis sein.

Was genau kritisieren Sie denn an der Haltung der SPD-Parteispitze? Ist es nicht legitim, dass die Führung der SPD bei einer Mitgliederbefragung auch ihre eigene Position darstellt?

Wir kritisieren die Parteispitze nicht. Sie macht alles richtig. Man muss die Genossen an die Hand nehmen und ihnen den Weg in eine sozialdemokratische Zukunft weisen. Das Sperrfeuer, das da von einigen ewig gestrigen Genossen kommt, kann die Basis verunsichern. Deshalb ist es gut, dass auf der Webseite zum Mitgliederentscheid keine Gegner des Vertrags zu Wort kommen und dem Wahlzettel Werbung für die Linie des Parteivorstands beiliegt. Denn nur so kann innerparteiliche Demokratie in der SPD funktionieren.