: Thaksins kleine Schwester
Ein verzweifelter Auftritt vor Journalisten am Dienstag: „Ich habe schon so viel nachgegeben, ich weiß nicht, wie ich noch weiter nachgeben soll“, sagt Yingluck Shinawatra mit Tränen in den Augen. Thailands 46-jährige Ministerpräsidentin, die seit der letzten Kabinettsumbildung auch Verteidigungsministerin ist, appelliert an die Opposition, sich an Neuwahlen zu beteiligen. Zugleich erklärt sie, bis dahin nicht zurückzutreten und selbst wieder zu kandidieren.
Yingluck droht gerade im Konflikt zwischen ihrem Bruder und Vorgänger, dem 2006 vom Militär gestürzten Thaksin Shinawatra, und seinen Gegnern zerrieben zu werden. Thaksin ist Yinglucks Segen und Fluch zugleich. Seine Gegner werfen ihr vor, seine Marionette zu sein. Seit Wochen fordern sie ihren Rücktritt. Thaksin selbst bezeichnete seine jüngste Schwester mal als seinen „Klon“. Er meinte das positiv, doch tat er ihr damit wohl keinen Gefallen.
Der ins Exil geflohene Thaksin machte die frühere Managerin, die bis dahin noch nie ein öffentliches Amt bekleidet hatte, 2011 zur Spitzenkandidatin seiner Partei. Ihre Nähe zu ihm und ihre unverbrauchte Art machten sie für seine Anhänger attraktiv. Auf Anhieb wurde Yingluck Shinawatra im August 2011 zu Thailands erster Regierungschefin gewählt. Seitdem regierte sie nicht schlechter als ihre männlichen Vorgänger. Doch stets war ihr großer Bruder präsent – bei Kabinettsitzungen etwa per Videoschaltung. Ihre Neuwahlankündigung vom Montag soll sie zunächst nur mit ihm abgesprochen haben.
Yingluck stammt aus einer wohlhabenden chinesischstämmigen Familie aus der nordthailändischen Stadt Chiang Mai. Sie studierte Politik und öffentliche Verwaltung und machte in den Unternehmen ihrer Familie und ihres Bruders als Managerin Karriere. Als jüngstes von neun Kindern ist sie selbst Mutter eines Sohnes. Doch seit sie in die Politik wechselte, schwebt stets ihr großer Bruder über ihr.
Zunächst gelang es Yingluck, Thailands gespaltene Gesellschaft halbwegs zu versöhnen. Denn sie verzichtete vorerst darauf, ihrem Bruder die Rückkehr zu ermöglichen. Das hatten er und seine Anhänger gehofft, seine Feinde hatten davor gewarnt. Doch mit dem im November gescheiterten Amnestiegesetz wäre die Rückkehr möglich geworden. Das brachte Thaksins Gegner auf die Barrikaden und könnte Yingluck vielleicht noch den Job kosten. SVEN HANSEN