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Archiv-Artikel

Blut, Bücher und Gitarren

FILMKONZERT Musik gehört bei ihm dazu: Der Regisseur Jim Jarmusch präsentiert sein neues Werk „Only Lovers Left Alive“ und tritt mit seiner Band Sqürl live auf. Ebenfalls dabei sind Zola Jesus und Yasmine Hamdan

Jim Jarmusch in einer Doppelrolle

„Only Lovers Left Alive“, der jüngste Film von Regisseur Jim Jarmusch, ist am Donnerstag im Kino International und im Filmtheater am Friedrichshain zu sehen. Danach gibt es ein Konzert im Tresor mit Jarmuschs Band Sqürl und weiteren Bands aus dem Soundtrack. Besucher werden gebeten, eine Sonnenbrille und Handschuhe zu tragen.

■ „Only Lovers Left Alive“: 12. 12., Kino International / Filmtheater am Friedrichshain, 19 Uhr, Konzert im Tresor, Köpenicker Str. 70, 22 Uhr, 27,50 €, Tickets unter www.atpfestival.com

VON TIM CASPAR BOEHME

Endlich bekommt man die schlohweißen Wuschelhaare mal aus nächster Nähe zu sehen. Jim Jarmusch, der diese üppige Tracht zu seinem Markenzeichen gemacht hat, ist an diesem Donnerstag zu Besuch in Berlin. Der Regisseur wird seinen jüngsten Film „Only Lovers Left Alive“ vorstellen. Dazu hat er sich eine ungewöhnliche Inszenierungsidee einfallen lassen: Zusätzlich zur Vorführung gibt es ein Konzert im Tresor mit Bands und Musikern, die zum Soundtrack beigetragen haben.

Dabei bräuchte der Film eigentlich keine flankierenden Maßnahmen, die Geschichte von einem seit Jahrhunderten liierten Vampir-Paar, das eine Fernbeziehung zwischen Detroit und Tanger führt, steht auch so für sich. Und wenn Jarmusch einen modernen Vampirfilm dreht, kann man sicher sein, dass das Ergebnis so ziemlich gar nichts mit den derzeit sehr beliebten Adaptionen der „Bis(s)“-Serie der Schriftstellerin Stephenie Meyer zu tun hat.

Jarmuschs Blutsauger sind melancholische Schöngeister, die sich aus Menschen wenig machen, bei der Nahrungsaufnahme direkten Kontakt zu den „Zombies“ geschimpften Zweibeinern meiden und sich lieber an Blutkonserven aus der Klinik halten. Ihrem Lebensrhythmus gemäß wurden alle Szenen bei Dunkelheit gedreht, und besonders die Autofahrten der Protagonisten Adam und Eve – wunderbar lakonisch gespielt von Tom Hiddleston und Tilda Swinton – durch das nächtliche Detroit lassen sich als Hommage an die heruntergewirtschaftete Schönheit der einst stolzen Metropole verstehen.

Adam ist Musiker, der früher Komponisten wie Schubert mit seinen Werken belieferte, die sie dann unter eigenem Namen veröffentlichten. Eve lebt inmitten von Büchern, die sich sogar in ihrem Kühlschrank finden und die sie in allen Sprachen der Welt liest. Ein Freund des Paars ist ein alter Herr namens Christopher Marlowe (souverän: John Hurt), den Jarmusch als Urheber der Werke William Shakespeares auftreten lässt. Adam sammelt inzwischen rare Gitarren und spielt in erster Linie Drone-Rock, der gelegentlich in Form von anonymen Schallplattenpressungen unter die Menschen gebracht wird. In bescheidenem Größenwahn hat Jim Jarmusch höchstpersönlich mit seiner Band Sqürl die stoisch-wuchtigen Instrumentalepen von Adam beigesteuert.

Neben Sqürl wird man im Tresor den experimentellen Gothic-Pop der Sängerin Zola Jesus erleben können, ferner den Stoner Rock der White Hills – und die große libanesische Sängerin Yasmine Hamdan mit ihrer Mischung aus New Wave und arabischem Chanson.

Ebenfalls angekündigt ist der niederländische Lautenspieler Jozef van Wissem, der für seine elegisch-minimalistischen Klänge, die er zum Film beigesteuert hat, in Cannes mit dem Preis für die beste Filmmusik ausgezeichnet wurde. Im Konzert offenbaren sich bei van Wissem mitunter leichte Schwächen bei der Beherrschung seines Instruments, man muss abwarten, wie er sich dieses Mal schlagen wird. Jarmusch jedenfalls hält große Stücke auf ihn und hat schon zwei Alben gemeinsam mit van Wissem aufgenommen.

In gewisser Hinsicht kehrt Jarmusch mit diesem Konzert an seine Anfänge, zumindest aber in die Zeit vor seinem ersten Spielfilm „Permanent Vacation“ von 1980 zurück. Ende der Siebziger war der Filmstudent der New York University nämlich Keyboarder und Sänger der No-Wave-Band The Del-Byzanteens, ließ seine Musikerkarriere dann aber ruhen, um sich mehr auf die Arbeit als Filmemacher zu konzentrieren.

In gewisser Hinsicht kehrt Jarmusch mit diesem Konzert an seine Anfänge zurück

Musik blieb in fast allen Filmen Jarmuschs ein wichtiger Faktor. Sei es, dass er Musiker wie John Lurie oder Tom Waits auch als Darsteller einsetzte oder dass er Musik immer wieder in die Handlung einflocht, bei der seine Figuren oft ein obsessives Interesse an bestimmten Musikern oder Songs zeigten. Wie in „Stranger Than Paradise“, in dem die Figur Eva fast unablässig den Soul-Klassiker „I Put a Spell on You“ von Screamin’ Jay Hawkins hört.

Im Grunde ist es nur konsequent, dass Jarmusch sich jetzt selbst als Musiker an seinen Filmen beteiligt und damit seine beiden Hauptinteressen nahezu gleichberechtigt verfolgt. Dass in „Only Lovers Left Alive“ ein Dichter als wichtige Nebenfigur auftaucht, wäre die dritte bestimmende Größe in Jarmuschs Leben: Er begann zunächst mit dem Studium der Literaturwissenschaften und zitierte in seinen Filmen immer wieder literarische Werke oder Schriftstellernamen – in „Dead Man“ zum Beispiel heißt die Hauptfigur William Blake.

Und warum Vampire? In einer Pressekonferenz gab Jarmusch zu Protokoll, er habe gehört, man könne mit solchen Filmen viel Geld verdienen. Dem Veteranen des amerikanischen Independent-Films – er ist mittlerweile 60 Jahre alt – könnte man einen finanziellen Erfolg mit „Only Lovers Left Alive“ allemal wünschen.