Der Mann an den Tasten

Billy Preston, Organist, Keyboarder und Songautor, ist tot

Bedauerlich genug, wenn man kein Album von Billy Preston in seiner Sammlung hat. Wer aber deswegen schon glaubt, den schwarzen Organisten und Songautor nicht zu kennen, der sollte das Kleingedruckte auf den Hüllen seiner Lieblingsplatten lesen: etwa die Bandbesetzung auf Bob Dylans „Blood On The Tracks“ oder auf „Exile On Mainstream“ von den Rolling Stones. Er sollte sich die Autorencredits auf Joe Cockers Hit „You Are So Beautiful“ zu Gemüte führen und nachgucken, wer die Filmmusik zu „In The Heat Of The Night“ geschrieben hat. Und die alten Beatles-Platten auflegen: „Get Back“ oder „Let It Be“. Dämmert es, warum Ray Charles diesen Mann dazu auserwählte, sein „Werk fortzuführen“?

Am 9. September 1946 kam Billy Preston in Houston zur Welt; erstmals von sich reden machte er in der Kirche. An der Seite von Mahalia Jackson und Rev. James Cleveland griff er in die Orgeltasten. Nat King Cole nahm den zehnjährigen Wunderknaben mit ins Studio. Und mit 16 schon konnte Preston auf eine Karriere als Sideman von Sam Cooke und Little Richard zurückblicken. Letzterer nahm ihn 1962 mit auf Europa-Tournee. Im Hamburger Star Club traf Preston auf die noch unbekannten Beatles – und bald saß Billy Preston für beide Bands hinter der Orgel. Preston entpuppte sich dabei nicht nur als musikalischer Gewinn. Auch was den Zusammenhalt der Liverpooler Band anging, machte er sich bald unentbehrlich. Mögen sich Paul, John, Ringo und George noch so in den Haaren gelegen haben, mit Billy Preston konnten sie alle. Lag es an der fürsorglichen Natur des Keyboarders? Seinem liebenswürdigen Humor? Oder der Uneigennützigkeit, mit der er sein Talent in den Dienst der Band-Dynamik stellte?

Tatsache bleibt: Billy Preston gilt bald als „der fünfte Beatle“, verleiht solchen Klassikern wie „Abbey Road“, „Let It Be“ oder dem „White Album“ seine Keyboard-Signatur, gibt im Kinofilm „Sgt. Pepper’s Lonely Heart Club“ den „Sgt. Pepper“ und ist auch beim Abschiedskonzert der Beatles auf dem Dach der Apple Studios in London mit von der Partie. Zu diesem Zeitpunkt wird Preston allseits begehrt: Ray Charles, Aretha Franklin, Sly & The Family Stone oder Eric Clapton wollen auf seine Dienste nicht verzichten.

Der Wermutstropfen im Jet-Set-Leben des Billy Preston ist, dass er zwar als erster vom Beatles-Label Apple Records unter Vertrag genommen wurde, seine Soloplatten es aber trotz solcher Hits wie „Will It Go Round In Circles“, „Nothing From Nothing“ oder „Space Race“ nicht in den Kanon der Klassiker schaffen. Zu viel Disco für die Rockfans, zu viel Rock für die Soulfans – Billy Preston selbst weigerte sich bis zum Schluss, sich festzulegen. Warum auch? Er konnte an einem Tag den Rolling Stones auf der Bühne einheizen und am nächsten eine Neil-Diamond-Schnulze im Studio ölen.

Im November 2005 fiel Preston in Folge von Drogenkonsum während seiner Nierendialyse in ein Koma. Eric Clapton, Paul McCartney und Mick Jagger hielten seine Hand am Krankenbett, während ihr bewusstloser Freund Tag und Nacht mit seinen früheren Aufnahmen beschallt wurde. Vergeblich: Am Dienstag ist die Musik in Billy Prestons Krankenzimmer endgültig erloschen. JONATHAN FISCHER