: „Und dann lachen wir uns alle kaputt!“
HUMOR Der Komödiant Michael Mittermeier über ein spannendes Experiment: Lachen Südafrikaner auch über deutsche Stand-up-Comedy? Kichern sie über den ANC? Sein schlechtes Image im Ausland? Über die Kriminalität im Lande? Und wie schafft man ein Lachen, dass nicht auf Kosten der Einheimischen geht? Mit „Michael Mittermeier in Kapstadt“ hat er versucht, Antworten zu finden
■ Der 44-Jährige ist einer der erfolgreichsten Komiker Deutschlands. Bekannt wurde er 1996 mit seinem Stand-up-Programm „Zapped – Ein TV-Junkie knallt durch“, sein Buch „Achtung Baby“ ist zurzeit in der deutschen Bestsellerliste.
■ 2009 trat Michael Mittermeier beim Capetown International Comedy Festival auf. Er ging an sechs Abenden mit einem kurzen Programm auf die Bühne. Zum Abschluss des Festivals präsentierte Mittermeier eine 90-minütige Soloshow, die von 450 Zuschauern besucht wurde.
■ Mittermeier nutzte die Reise, um sich in Kapstadt mit Politikern, Township-Bewohnern und südafrikanischen Comedians zu treffen und diese Begegnungen zu dokumentieren.
■ ProSieben zeigt heute um 22.45 Uhr eine leicht gekürzte Version der Doku. Die DVD erscheint am 11. Juni. Sie enthält 50 Minuten Bonusmaterial und kostet circa 19,95 Euro.
INTERVIEW SVEN SAKOWITZ
taz: Herr Mittermeier, Sie sind beim Comedy-Festival in Kapstadt aufgetreten und haben vor Ort eine überraschend ernsthafte Dokumentation gedreht – wie ist es zu diesem Projekt gekommen?
Michael Mittermeier: Schuld daran ist eigentlich eine ehemalige Nachbarin von mir, die Konsulin bei der südafrikanischen Botschaft ist. Als sie in München anfing, zog sie in unsere Gegend und lud alle Nachbarn zu einem Fest ein. Irgendwann sagte sie: „Du musst unbedingt in Kapstadt auftreten!“, und sie versprach mir, die nötigen Kontakte herzustellen. Das ist so ein Moment, in dem man weiß: Das musst du jetzt machen – denn ich wollte schon ewig mit einem englischsprachigen Programm aufs internationale Parkett. Das kickt mich einfach, weil Englisch die Muttersprache der Comedy ist. In New York bin ich schon ein halbes Jahr lang in kleinen Clubs aufgetreten, aber das war eher eine Art Weiterbildung. Und plötzlich eröffnet sich die Chance, in Südafrika auf die Bühne zu gehen. In einem Land, in dem ich schon zwei Mal war und das ich seit meinem ersten Besuch liebe.
Und wie kam es zu der Doku?
Meine erste Idee war, dass ein kleines Team mitkommt und meine Auftritte filmt. Aber dann haben wir gedacht: Es wäre eine verschenkte Gelegenheit, nur beim Festival zu drehen, lass uns das Drumherum filmen. Klar war, dass wir nicht einfach lustige Szenen in Kapstadts Straßen inszenieren, das wäre respektlos gewesen. Wir haben uns gesagt: Wenn wir etwas machen, dann wird es eine richtige Doku. Und zwar eine, in der vor allem Südafrikaner selbst zu Wort kommen. Die Südafrikaner müssen ihre Geschichte erzählen, nicht wir.
Sie haben dann viele Menschen getroffen – von Jugendlichen aus den Townships bis zu Politikern wie der Premierministerin Helen Zille. Welche Begegnung hat Sie am meisten beeindruckt?
Für mich war jede Begegnung eine intensive Erfahrung. Wenn ich etwas hervorheben soll, dann den Besuch im Waisenhaus Vulamasango, in dem traumatisierte Kinder und Jugendliche leben. Das war wirklich hart. Man kommt da rein, und da sitzt ein Mädchen in der Ecke und spielt. Man erfährt, dass dieses Mädchen keine Kindheit hatte. Es wurde vergewaltig, seitdem es drei Jahre alt war, mit fünf musste es zum ersten Mal arbeiten. Jetzt ist das Mädchen zehn – und spielt hier in diesem Hort zum ersten Mal in seinem Leben. Dass es Menschen gibt, die ihr Leben diesen Kindern widmen, rührt und beeindruckt mich zutiefst. Es gibt dort in dem Waisenhaus auch einen Chor, den Zabalaza-Chor – die singen dich regelrecht um! Mittlerweile waren die sogar auf einer Tournee durch Europa. Das ist doch großartig. Es gibt in Südafrika so viele Talente, so viele engagierte Menschen, das Land hat so viel Potenzial – aber bei uns schauen die Leute immer nur auf die Kriminalitätsrate.
Sie meinen, die Deutschen haben ein falsches Bild von Südafrika?
Mit Sicherheit. Als wir in Kapstadt waren, hatten Spiegel und Stern gerade Artikel über Südafrika gebracht. Beide ließen sich seitenlang nur darüber aus, wie korrupt, wie scheiße das da alles ist und dass die Stadien nicht fertig werden. Ganz ehrlich: Das war zum Kotzen. Ausgerechnet die Magazine, die immer ihre journalistische Qualität betonen, schreiben da auf so einem Stammtischniveau. Das war auch bei meinen Gesprächen in Südafrika ein Thema. Helen Zille war entsetzt und sagte zu mir: „Was erwarten die eigentlich von uns? Klar ist nicht alles in bester Ordnung, aber ihr müsst uns doch auch eine Chance geben.“ Recht hat sie. Südafrika ist ein vielschichtiges Land. Man muss sich öffnen und darf nicht mit einem fertigen Bild im Kopf hinfahren.
Wie ist es zum Beispiel mit der Kriminalität: Wie waren Ihre Erfahrungen? Sind Sie mal in brenzlige Situationen geraten?
Ich bin nie überfallen worden, ich habe nie eine Situation erlebt, in der ich mich bedrängt gefühlt habe. Schlimm war für mich die Konfrontation mit der Lebenssituation vieler Menschen. Wenn du aus Kapstadt rausfährst und siehst diese Townships, in denen hunderttausende Menschen auf engstem Raum leben – das bedrängt mich psychisch. Natürlich gibt es auch Gegenden, die man aus Sicherheitsgründen besser meidet. Hier in Europa würde ich mich ebenfalls nicht bewusst in Gefahr begeben.
Haben Sie am Anfang Ihrer Shows Ihre Haltung klargestellt? So im Sinne von: „Ich komme aus Deutschland und da gibt es seltsame Vorstellungen über euer Land, aber ich bin einer von den Guten.“
Ich musste gar nichts klarstellen, weil das Publikum wahnsinnig offen war. Ich habe die Klischees aber natürlich aufgegriffen und Sachen gesagt wie: „Seht euren schlechten Ruf doch einfach als Chance. Ihr müsst bei der WM noch nicht mal gewinnen – just kill the motherfuckers who play better football than you.“ Das fanden die super!
Das heißt, Sie haben ein neues Programm für die Shows entwickelt und nicht einfach Bewährtes ins Englische übersetzt?
Wenn ich in ein anderes Land fahre, weiß ich: Man kann das Programm nicht eins zu eins aufführen, das funktioniert schon in der Schweiz und in Österreich nicht. Es bringt nichts, wenn ich in Kapstadt über Guido Westerwelle rede. Da lacht keiner. Es ist also eine Mischung geworden aus erprobtem Material und neuen Nummern, die ich in der Woche vorm Festival vor Ort entwickelt habe – und ich glaube, mein Programm kam gut an.
Gibt es eine lebendige Comedyszene in Südafrika, einen speziellen südafrikanischen Humor?
Die haben tolle Leute von internationalem Format. Loyisio Gola zum Beispiel oder Kurt Schoonraad. In Südafrika wird Humor gemacht wie überall auf der Welt: Die Künstler reden über die Dinge, die sie umgeben und die sie bewegen. Ich fand interessant, dass von den jungen schwarzen Comedians jetzt einige anfangen, Gags über den ANC zu machen. Das war bis vor kurzem eine heilige Kuh. Gefallen hat mir, dass bei den Auftritten Schwarze, Weiße und Farbige in einem Saal sitzen und über dieselben Sachen lachen. Comedy sprengt dort Grenzen.
Sie haben Ihre Doku zunächst auf eigene Kosten produziert und dann einen Sender für die Ausstrahlung gesucht. Jetzt läuft sie bei ProSieben, obwohl sie eher wie eine gute, öffentlich-rechtliche Produktion wirkt. Wie kam es zu dieser Senderwahl?
Geht man vor der Produktion zu einem Sender, sagen sie dir: „Gebt uns mal vorab eine Story oder ein Buch.“ Das hatten wir nicht. Natürlich haben wir schon vor der Abreise Geschichten recherchiert, aber wir wollten keinen Zwang haben oder uns an Abmachungen halten müssen. Deshalb haben wir es selbst gemacht und gedacht, das kriegen wir schon irgendwo unter. Das gestaltete sich überraschend schwierig, wir mussten richtig Klinkenputzen gehen. Vor allem die Öffentlich-Rechtlichen beklagen immer, dass es zu wenig Qualität gibt. Wenn du Qualität anbietest, interessiert sich aber nur ProSieben dafür und sagt: „Hey, wir senden das. Sogar auf Englisch mit Untertiteln, wenn ihr das so wollt.“ Dafür bin ich total dankbar.
Warum war es so schwer, einen Abnehmer zu finden?
Keine Ahnung. Diese Doku ist eine kleine, feine Geschichte, die bewusst nicht mit Blick auf die große Masse gedreht wurde. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, wenn wir das angeboten hätten, was jetzt überall läuft: Hinfahren, Haudrauf-Comedy machen und wieder zurückfahren. Das auf einem guten Sendeplatz zeigen, und dann lachen wir uns alle schön kaputt über die blöden Südafrikaner. Das ist doch alles totaler Quatsch und nervt mich richtig.
Haben Sie sich durch Ihre Südafrikareise verändert?
Afrika verändert dich immer, wenn du es zulässt. Man begreift jedes Mal ein Stückchen mehr. Bei mir ist dieses Mal dazugekommen, dass ich jetzt weiß, wie viele tolle Leute da im Kleinen versuchen, etwas zu verbessern. Darüber sollte bei uns viel mehr gesprochen werden.