: „Ein furchtbarer Name für eine schöne Torte“
KONDITOREI-SPEZIALITÄT Weil sich Paul von Hindenburg – er ernannte Hitler zum Reichskanzler – nicht als Namenspatron für unbeschwerten Tortengenuss eignet wird heute in einem Oldenburger Café eine „Hindenburgtorte“ in „Herbarttorte“ umbenannt
die Inhaberin des „Café Raster“ in Oldenburg ist Bäckermeisterin und Konditorin – und Diplom-Psychologin.Foto: Annedore Beelte
taz: Frau Köhler, Sie nennen heute ihre Hindenburgtorte in Herbarttorte um. Warum?
Ingrid Köhler: Das war ein furchtbarer Name für eine schöne Torte. Der Verleger Daniel Furhop sah sie im Café und sagte: „Ingrid, das geht so nicht.“ Unsere Söhne gehen auf das gleiche Gymnasium. Das wurde schon 1988 von „Hindenburgschule“ in „Herbartgymnasium“ umbenannt. Deswegen sind sich die Oldenburger schon des Problems bewusst. Außerdem kommt Johann Friedrich Herbart aus Oldenburg, er hat also noch mehr mit der Stadt zu tun als Paul von Hindenburg.
Was muss man denn über Herrn Herbart wissen?
Ich habe natürlich recherchiert. Er ist der Begründer der wissenschaftlichen Pädagogik. Vorher gab es nur Erzieher. Herbart hat als erster wissenschaftliche Kausalzusammenhänge formuliert. Er hat einen autoritären Erziehungsstil abgelehnt, das war damals fast revolutionär. Die Internationale Herbart-Gesellschaft interpretiert seine Schriften für die heutige Zeit. Der Vorsitzende wird auch heute dabei sein, genauso wie der Leiter des Herbartgymnasiums.
Hätte der Pädagoge Herbart den Genuss von Torte gebilligt?
Er war sehr diszipliniert und hat sich sicher nicht jeden Tag Torte gegönnt. Aber manchmal muss man die Seele einfach baumeln lassen, und dann darf man auch nicht auf die Kalorien achten.
Wie ist die Hindenburgtorte zu ihrem Namen gekommen?
Das weiß ich nicht. Sie ist zwar unsere Hausspezialität und wir backen sie seit über fünfzig Jahren, aber wir haben sie nicht erfunden. Hindenburgtorte gibt es bundesweit. Nach der Umbenennung machen wir sie etwas anders als andere Konditoreien.
Warum, gibt es ein Copyright auf Tortenrezepturen?
Nein, aber wir wollen unsere Gäste nicht verwirren. Hindenburgtorte ist ursprünglich eine Eier-Nuss-Sahnetorte. Jetzt backen wir die Herbarttorte als Krokant-Sahnetorte. Echt lecker!
Bitte erzählen Sie noch mehr.
Die Herbarttorte ist eine Kuppeltorte. Außen ist eine Roulardenschicht aus Biskuit und roter Marmelade, darunter die Krokantsahne mit echter Bourbon-Vanille, dann ein Wiener- und ein Mürbteigboden. Schlicht und edel, würde ich sagen.
Sie haben das Café von ihren Eltern übernommen. Was sagen die dazu, dass Sie einfach die Hausspezialität umbenennen?
Mein Vater lebt nicht mehr. Meine Mutter steht voll hinter mir. Sie hat den Zweiten Weltkrieg miterlebt und daher am eigenen Leib erfahren, wohin die Politik Hindenburgs geführt hat.INTERVIEW: ANNEDORE BEELTE
Umbenennungsfeier: heute, 15 Uhr, „Café Raster“, Friedensplatz 1, Oldenburg