: Der getriebene Senator
HENKELS ULTIMATUM
Es mag sich kaum jemand daran erinnern, aber es gab Zeiten, da polterte Frank Henkel lautstark. Rot-Rot? Sicherheitspolitische Versager. Ein 1. Mai „wie in Beirut“, Autobrände-„Terror“, „linke Chaoten“, die „Kiezdiktaturen“ errichteten. Er dagegen, Henkel, damals noch CDU-Fraktionsboss, stehe für „Null Toleranz“.
Dann wurde Frank Henkel Innensenator.
Und der CDU-Mann wandelte sich zum Zauderer. Als er erfuhr, dass die Berliner Polizei einen V-Mann im NSU-Umfeld führte, schwieg er monatelang. Erst getrieben durch den Untersuchungsausschuss im Bundestag, räumte er den Spitzel ein, gelobte Aufklärung.
Auch beim Flüchtlingscamp am Oranienplatz schaute Henkel lange zu. Fragte man ihn danach, sprach er von „rechtswidrigen Zuständen“. Die aber müsse Friedrichshain-Kreuzberg lösen, Thema erledigt. Dann trieb ihn die eigene CDU zur Härte an. Am Dienstag stellte Henkel das letzte Ultimatum: Spätestens ab dem 18. Januar wird er die Polizei auf den Oranienplatz schicken. Die CDU-Fraktion applaudierte.
Wohl kann Henkel jedoch nicht dabei gewesen sein. Denn nun verkehren sich die Rollen: Er ist es jetzt, der auf die viel gescholtene grüne Bezirksbürgermeisterin angewiesen ist. Und der hoffen muss, dass diese vor Mitte Januar die Flüchtlinge vom Zeltabbau überzeugt.
Denn Henkel weiß, dass sich die linke Szene bereits warmläuft wie lange nicht. Weiß, dass er nichts gewinnen kann, wenn er Polizisten gegen mittellose Flüchtlinge hetzt, ohne zu wissen, ob diese nicht wenig später die Zelte wieder aufbauen. Und Henkel weiß, dass nicht mehr der Bezirk, sondern er selbst der Buhmann sein wird.
Genau darauf aber läuft es nun hinaus, da sich die letzten Campbewohner und ihre Unterstützer eisern weigern, die Zelte abzubauen, und Henkel hinter sein Ultimatum nicht mehr zurückkann. Er hat sich das durch seine eigene Einfallslosigkeit eingebrockt: Denn außer Räumung scheint dem Senator keine Alternative einzufallen – auf dem Oranienplatz war er bis heute nicht. Mit dem bevorstehenden Großeinsatz ist nicht der alte Haudrauf zurück. Henkel bleibt Getriebener. Der nun vor einem Einsatz steht, den er nicht wollen kann. KONRAD LITSCHKO