: Rechtsruck in den Niederlanden
WAHLEN Die Rechtsliberalen werden stärkste Kraft, dicht gefolgt von den Sozialdemokraten. Der Rechtspopulist Geert Wilders kann den Stimmenanteil seiner Partei verdoppeln
Geert Wilders
AUS ARNHEM GUNDA SCHWANTJE
Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am vergangenen Mittwoch sind die Niederlande nach rechts gerückt. Nach einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen ließen die Volksparteij voor Vrijheid en Democratie (VVD) und ihr Spitzenkandidat Mark Rutte die sozialdemokratische Partij voor de Arbeid (PvdA) unter Job Cohen nur knapp hinter sich. Die rechtsliberale VVD errang 31 Sitze, die PvdA 30.
Der eigentliche Gewinner dieser Wahl ist jedoch Geert Wilders. Der Rechtspopulist verbuchte mit seiner Partij voor de Vrijheid (PVV) den größten Stimmenzuwachs und wurde drittstärkste Kraft. Die PVV, die bislang neun Abgeordnete stellte, wird künftig mit 24 Parlamentariern im Haager Parlament vertreten sein. Einen wahren Absturz musste der bisherige Premierminister Jan-Peter Balkenende hinnehmen. Seine konservative Partei Christen Democratisch Appèl (CDA) verlor die Hälfte ihrer Wähler und kam nur noch auf 21 Sitze.
Auch die Sozialisten, im Parlament bisher als drittstärkste Partei mit 25 Sitzen vertreten, brachen ein und fielen auf 15 Sitze zurück. Freuen über leichte Zuwächse kann sich hingegen Groen Links. Mit der Spitzenkandidatin Femke Halsema gewann die Partei drei Sitze hinzu und wird künftig mit zehn Abgeordneten im Parlament vertreten sein. Auch der linksliberale Alexander Pechthold von den Democraten 66 konnte zulegen. Die D66 kletterte von drei auf zehn Sitze. Die Wahlbeteiligung lag bei 74,5 Prozent. 2006 waren noch 80 Prozent an die Urnen gegangen.
Der Wahlsieger Mark Rutte trat gegen drei Uhr früh vors Mikrofon. „Wer hätte vor einem halben Jahr gedacht, dass wir diesen Sieg erringen würde“, verkündete er vor euphorisch feiernden Parteimitgliedern. Rutte dankte Jan-Peter Balkenende für die schwierige Arbeit. Er zolle dem bisherigen Premierministers „Respekt“ für dessen Entscheidung zurückzutreten. Ebenso wie Mark Rutte gratulierte auch PvdA-Spitzenkandidat Job Cohen dem Kontrahenten Geert Wilders. „Wir haben den gewaltigen Zuwachs der PVV zu respektieren“, sagte der Sozialdemokrat auf einer Wahlkampffeier in Amsterdam.
„Niemand kann mehr an uns vorbei“, freute sich Geert Wilders in der Wahlnacht. „Dies ist ein siegreicher Tag für die ganzen Niederlande“, jubelte er, als er nach einem Konfettiregen in den Nationalfarben unter großem Applaus vor seinen Anhängern auftrat. „1,5 Millionen Wähler haben für Hoffnung und Optimismus gestimmt“, sagte Wilders. Der Rechtspopulist verkörpert aber in dem polarisierten Land für viele anders denkende Niederländer das exakte Gegenteil. Er wolle für „weniger Immigration, weniger Islam“ und „mehr Sicherheit“ sorgen, betonte Wilders vor Parteifreunden.
Sichtlich bewegt nannte Jan-Peter Balkenende den dramatischen Verlust der Christdemokraten „sehr, sehr enttäuschend“, zog sofort die Konsequenzen aus dem Debakel und legte den Parteivorsitz nieder. Bis die neue Regierung gebildet ist, will er die Amtsgeschäfte kommissarisch weiterführen.
Die Regierungsbildung dürfte schwierig werden. Eine rechte Koalition aus VVD, PVV und CDA käme auf 76 Sitze. Das wäre knapp, würde jedoch ausreichen. Eine links orientiertes Bündnis der VVD ist nur mit drei Partnern zu machen. Nur eine Koalition aus VVD, PvdA, D66, Groen Links käme auf eine Mehrheit von 81 Sitze. Das offizielle Ergebnis wird am kommenden Dienstag bekanntgegeben, weil noch die Stimmen der im Ausland wählenden Niederländer ausgezählt werden müssen.
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