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Archiv-Artikel

Eine gezielte Tötung

AUS JERUSALEMSUSANNE KNAUL

Aus Sorge vor Vergeltungsanschlägen nach der Exekution von Dschamal Abu Samhadana herrscht in Israel erhöhte Alarmbereitschaft. Der Chef der Sicherheitstruppen des palästinensischen Innenministeriums starb zusammen mit drei weiteren Angehörigen einer Widerstandsgruppe bei einem Angriff der israelischen Luftwaffe in der Nacht zum Freitag im Gaza-Streifen. „Die Zionisten öffneten mit der Exekution Abu Samhadanas die Tore zur Hölle“, kommentierte Abu Abir, Sprecher des Volkswiderstandskomitees, das zentral für den fortgesetzten Raketenbeschuss Israels verantwortlich ist.

Samhadana selbst galt als der „König der Kassam-Raketen“. Er wird seit Jahren von den israelischen Sicherheitskräften gesucht und entkam bereits mehreren Exekutionsversuchen. Ende April berief ihn Innenminister Said Siam zum Sicherheitschef des Ministeriums und Kommandanten der neuen Hamas-Brigade, die heute rund 3.000 bewaffnete Männer umfasst. Samhadana ist der erste hochrangige Regierungsbeamte, der Israels Luftwaffe seit dem Wahlsieg der Hamas Anfang des Jahres zum Opfer fällt.

Für die Hamas, die seit gut einem Jahr weitgehend an einer Waffenruhe festhält und keine Bombenanschläge in Israel mehr verübte, bedeutet die gezielte Hinrichtung eines so hohen Beamten die Verschärfung des Dilemmas, in dem sie sich seit Übernahme der Regierung befindet. Auf der einen Seite stehen die Anhänger und Wähler, die auf eine Fortsetzung des gewaltvollen Widerstands setzen. Sie erwarten nun, dass der Tod Samhadanas nicht unbestraft bleibt. „Dies ist eine kriminelle Exekution, und die Palästinenser haben das Recht, auf dieses hässliche Verbrechen mit allen Mitteln zu reagieren“, kommentierte Khaled Abu Hilal, ein Sprecher des Innenministeriums. Auf der anderen Seite beobachten die westlichen Geberländer sehr aufmerksam jeden Schritt der Hamas-Führung und machen davon die Wiederaufnahme der Zahlungen für den Wiederaufbau der Palästinensergebiete abhängig. Wenn die Hamas-Regierung international isoliert bleibt, wird sie kaum die nächsten vier Jahre im Amt überstehen.

Die Exekution fällt zudem auf den letzten Tag vor Ablauf des Ultimatums, mit dem Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Hamas-Regierung zur Anerkennung des so genannten Gefangenendokuments zwingen will. Es ist ein Kompromisspapier, das von dem populären Chef der Fatah im Westjordanland, dem inhaftierten Marwan Barghuti, und führenden Vertretern aller Fraktionen ausgearbeitet wurde. Es sieht ein Palästina in den 1967 besetzten Gebieten vor – und impliziert so die Anerkennung Israels. Die Hamas hatte eine Zweistaatenlösung stets abgelehnt und wird nach dem Tod Samhadanas vorläufig kaum eine moderatere Richtung verfolgen.

Heute will Abbas den Termin für die von ihm geplante Volksbefragung bekannt geben, sollte die Hamas nicht doch noch umdenken. Aus seinem Umfeld war bereits der 31. Juli durchgesickert. Laut Jüngsten Umfragen der Bir-Sejt-Universität befürworten rund drei Viertel der Bevölkerung den Kompromissplan der palästinensischen Gefangenen, der auch die Gründung einer Nationalen Einheitsregierung vorsieht. Damit könnte der seit sechs Wochen eskalierende Konflikt zwischen Hamas und Fatah beigelegt werden. Dessen ungeachtet lehnen ihn außer der Hamas noch vier weitere Fraktionen, darunter der Islamische Dschihad und eine Splittergruppe der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas), ab – mit dem Hinweis, er sei nicht rechtens. Auch der palästinensische Außenminister Mahmud al-Sahar appellierte gestern erneut, auf den Volksentscheid zu verzichten. In einer Videobotschaft forderte unterdessen der Al-Qaida-Vize Aiman al-Sawahiri die palästinensische Bevölkerung auf, das Referendum zu boykottieren.