Der schnelle Unbekannte

Der junge Spielmacher Franck Ribéry steht für ein Leben des französischen Nationalteams nach Zinedine Zidane

Als Franck Ribéry im Januar 2005 vom FC Metz nach Istanbul wechselte, wurde der ruhmreiche Galatasaray Spor Kulübü von den türkischen Medien mit Hohn und Spott übergossen. „Wer ist Franck Ribéry?“, fragten die Gazetten, denn zur gleichen Zeit verpflichtete der Rivale Fenerbahce einen Franzosen mit weitaus berühmterem Namen: Nicolas Anelka.

Doch Franck Ribéry hat die Skepsis der Türken mit außergewöhnlichen Leistungen schnell in Bewunderung verwandelt. Es dauerte nicht lange, da hatte der Unbekannte wegen seines katapultartigen Antritts den Spitznamen „Ferraribéry“ weg. Nach einem halben Jahr indes verließ Ribéry Istanbul wieder. Galatasaray konnte dem Spielmacher das Gehalt nicht pünktlich überweisen. Sein alter Trainer aus Metz, Jean Fernandez, lockte den Offensivspieler nach Südfrankreich zu Olympique Marseille.

Obwohl Franck Ribéry als Junior in 85 Länderspielen gewirbelt und 41 Tore für Frankreich erzielt hatte, kam der Junge aus Boulogne-Sur-Mer im Nordwesten Frankreichs bis vor kurzem in der A-Nationalmannschaft nicht zum Einsatz. Das hat sich seit seiner überraschenden Berufung in den WM-Kader und drei spektakulären Auftritten als Einwechselspieler geändert. Der 23-Jährige gilt nun als Hoffnungsträger einer in die Jahre gekommenen Generation.

Frankreichs umstrittener Trainer Raymond Domenech gab Ribéry den Vorzug vor Ludovic Giuly, der noch jüngst mit dem FC Barcelona in Paris den Triumph in der Champions League feierte. „Ribéry hat die Lockerheit eines jungen Spielers, der froh ist, dabei zu sein“, begründete Domenech seinen Schritt.

In der Mannschaft genießt der junge Spieler nach nur wenigen Wochen bereits großen Respekt. Thierry Henry sagt: „Franck ist der Hoffnungsträger einer ganzen Nation geworden. Er ist der Albtraum jedes Abwehrspielers. Für uns ist er eine Art Joker. Ein Typ, der auf den Platz geht, um Unruhe zu stiften.“

Ribérys Draufgängertum ist beeindruckend, seine Technik brillant und seine Dribblings atemberaubend. „Ich stelle mir keine unnötigen Fragen“, sagt er. Und die Euphorie belaste ihn kein bisschen: „Ich komme aus einfachen Verhältnissen, ich bleibe auf dem Teppich, denn ich habe schon schwierige Momente durchgemacht.“

Als Jugendlicher ist er von einer Fußballschule geflogen, von seiner Nominierung erfuhr er gemeinsam mit seinem Vater beim Fernsehschauen. Ribéry erfährt derzeit überall Sympathie und gibt dem französischen Fußball die Hoffnung, dass es auch ein Leben nach Zinedine Zidane gibt. Zidane steht bei seinem letzten großen Auftritt auf der Spielmacherposition vor Ribéry, aber der Dribbler hat schon oft bewiesen, dass er auch als Außenstürmer Akzente setzen kann. Laut einer Umfrage des Journals Dimanche fordern mittlerweile rund 69 Prozent der fußballbegeisterten Franzosen Ribérys Einsatz von Beginn an.

Die Spiele bei der WM in Deutschland könnten für ihn auch das Sprungbrett in die Herzen des internationalen Publikums bedeuten. Im Januar verlängerte Olympique Marseille den ohnehin bis 2009 datierten Vertrag Ribérys um ein weiteres Jahr. Doch Tottenham Hotspur und Manchester United buhlen weiter um ihn. Sein Marktwert wird mittlerweile auf 30 Millionen Euro taxiert.

TOBIAS SCHÄCHTER