Skeptischer Freund des Anstands

ZEITGESCHICHTE Pazifist, Radikaldemokrat, Journalist und Anwalt: Eine Ausstellung in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main erinnert an Rudolf Olden (1885–1940)

Rudolf Olden war ein kluger Publizist der liberalen Linken der Weimarer Republik. Auch auf juristischem Gebiet war er ein engagierter Verfechter demokratischer Grundrechte

VON WILFRIED WEINKE

Das Plakat zur Ausstellung irritiert und fasziniert zugleich. Es zeigt ein Foto, vielfach zerrissen. Beim erneuten Zusammensetzen blieben Fehlstellen, grobe Bruchkanten, doch aus den unterschiedlichen Teilen entstand ein Bild, ein Foto von Rudolf Olden, aufgenommen Ende der Zwanzigerjahre.

Ein Bild von dem heute fast unbekannten Journalisten und Anwalt Rudolf Olden zu vermitteln, war und ist Ziel des in der Deutschen Nationalbibliothek beheimateten Deutschen Exilarchivs 1933–1945. Den beiden Kuratorinnen der Ausstellung und Herausgeberinnen des illustrierten Katalogbuchs, Sylvia Asmus und Brita Eckert, kann man gratulieren: Es ist ihnen, zuweilen auf sehr liebevolle Weise, geglückt, aus höchst unterschiedlichen Archivbeständen im In- und Ausland eine facettenreiche Ausstellung zusammenzustellen, die endlich an diesen klugen Publizisten der liberalen Linken der Weimarer Republik erinnert. Der Biografie folgend, präsentieren sie in zahllosen Vitrinen und an Stellwänden erstmals eine komplexe Sicht auf Leben und Werk des zu Unrecht fast vergessenen Rudolf Olden.

Prädikat „hinlänglich“

Im Jahr 1885 in Stettin als Gunther Oppenheim geboren, galt sehr bald Olden, der Künstlernamen des Vaters, für die gesamte Familie. An das Abitur mit dem Gesamtprädikat „hinlänglich“ schloss sich ein Jurastudium an, das Olden im August 1914 beendete. In den Ersten Weltkrieg zog er als Kriegsfreiwilliger; als überzeugter Pazifist und Radikaldemokrat kehrte er zurück und begann seine journalistische Karriere, zuerst in Wien, seit 1926 in Berlin. Siegfried Jacobsohn, der Herausgeber der Weltbühne, hatte ihn Theodor Wolff, dem Chefredakteur des Berliner Tageblatts, für die Position des politischen Redakteurs vorgeschlagen. Sehr schnell avancierte Olden vom Redakteur zum Leitartikler, prägte bis zu seiner Entlassung durch hunderte (Leit-)Artikel den Charakter dieser liberal-demokratischen Tageszeitung.

Wie Marco Finetti in seinem brillanten Katalogbeitrag schreibt, wurde Olden als Journalist zum „Verteidiger der Republik und Ankläger ihrer Feinde“. Ein Beispiel: In seinem Artikel „Mordjo! Feuerjo!“, veröffentlicht am 17. März 1931 im Berliner Tageblatt, brandmarkte er Lug und Trug der NSDAP: „Der Name dieser Partei ist eine dreifache Lüge. Diese Partei ist nicht national, sie ist nicht sozialistisch, sie ist vor allem keine Arbeiterpartei.“ Für Olden war sie eine „Partei, die den politischen Meuchelmord propagierte, die SA eine „an den Blutinstinkt Primitiver appellierende Heimstatt für die übelsten Elemente jeglicher Herkunft“ und Hitler derjenige, der sich „am lautesten zur Propaganda des Blutes bekennt“.

Olden war seit 1929, dem Jahr seiner Zulassung als Rechtsanwalt in Berlin, auch auf juristischem Gebiet ein engagierter Verfechter demokratischer Grundrechte, so als Verteidiger Carl von Ossietzkys in jenem berühmt-berüchtigten Verfahren vor dem Reichsgericht, in dem Ossietzky wegen vermeintlichen Landesverrats zu 18 Monaten Haft verurteilt worden war. Olden kämpfte gegen das Verbot des sozialkritischen Films „Kuhle Wampe“, vertrat wiederholt den Berliner Polizeivizepräsidenten Bernhard Weiß, der wegen seines Vorgehens gegen die NSDAP von Goebbels in einer üblen, antisemitischen Hetzkampagne diffamiert wurde. Rudolf Olden war, ähnlich wie Paul Levi, Max Alsberg oder Hans Litten, ein Anwalt der Republik.

Doch für solche im besten Sinne streitbaren Juristen gab es in Deutschland nach der Machtergreifung der Nazis keine Zukunft mehr. Im Juni 1933 verlor Olden seine Zulassung als Rechtsanwalt. Seine gesamten Schriften waren auf der „Liste 1 des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ vom Oktober 1935 verboten worden. Am 3. Dezember 1936 wurde Rudolf Olden ausgebürgert.

Bis in den Februar 1933 hatte Olden in Deutschland für den Erhalt demokratischer Grundrechte gekämpft. Nach dem Reichstagsbrand war auch er zur Flucht aus Deutschland gezwungen. Über Prag, Österreich, die Schweiz und Frankreich emigrierte er schließlich nach England. Gemeinsam mit seiner Frau Ika setzte er im Exil seine publizistische Aufklärungsarbeit fort: In Prag veröffentlichte er noch 1933 seine Broschüre „Hitler, der Eroberer. Die Entlarvung einer Legende“. In Paris schrieben sie das Manuskript „Von Hitler vertrieben – Ein Jahr deutsche Emigration“, das erst 60 Jahre später im Berliner Metropol Verlag erscheinen konnte. Eine weitere gemeinsame Arbeit stellt die Dokumentation „Das Schwarzbuch. Die Lage der Juden in Deutschland 1933“ dar, das 1934 in Paris erschien. Im folgenden Jahr veröffentlichte Rudolf Olden in Amsterdam seine Biografie „Hitler“, eine feinsinnige politisch-psychologische Studie des deutschen Diktators. Als Mitbegründer und Sekretär des deutschen PEN-Clubs im Exil setzte er sich für die Rettung gefährdeter Schriftsteller ein, engagierte sich dafür, dass Ossietzky der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde.

Internierter Emigrant

Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Olden wie viele andere deutsche Emigranten interniert. In einem anonymen Leserbrief schrieb er damals: „England kennt seine Freunde nicht.“ In der Erwartung, in New York als Professor arbeiten zu können, verließen Ika und Rudolf Olden England, doch das Passagierschiff, das sie in die USA bringen sollte, wurde am 17. September 1940 von einem deutschen Boot torpediert. Zu den 253 Opfern zählten auch Ika und Rudolf Olden.

In einer wenige Tage später gehaltenen Gedenkrede charakterisierte der ebenfalls internierte Schriftsteller Kurt Hiller seinen Kollegen Rudolf Olden als einen „der letzten honorigen Freisinnigen Deutschlands“: „Er war kein Parteipolitiker; er war ein allem Dogmatikerstarrsinn und freilich auch aller Ideen-Inbrunst ferner, leicht skeptischer Freund des Anstands, der persönlichen Freiheit, der Menschlichkeit.“

■ „Rudolf Olden – Journalist gegen Hitler – Anwalt der Republik.“ Bis 28. Juli in der Deutschen Nationalbibliothek, Frankfurt am Main