Evangelische über Katholische Kirche: "Wie ein angeschlagener Boxer"
Eine interne Schrift der Evangelischen Kirche äußert sich mehr als überheblich über die Katholische Kirche. Die Entschuldigung: Das sei nur ein Diskussionspapier.
BERLIN taz | Ist dies die Ökumene: nach außen freundlich, nach innen gehässig? Auf diese Idee kommt, wer ein Papier liest, das in der Verwaltungsspitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erarbeitet wurde und der taz vorliegt. Darin wird in einem meist kalten, oft gönnerhaften und zum Teil überheblichen, ja gehässigen Ton über die katholische Kirche gesprochen - und dies widerspricht doch arg dem sonst vermittelten Bild, dass die EKD in liebevoller Geschwisterlichkeit den älteren Brüdern nahe sei.
Erarbeitet hat das Papier Oberkirchenrat Thies Gundlach, der einer der führenden Köpfe im Kirchenamt der EKD ist. Der Leiter der Abteilung "Kirchliche Handlungsfelder" wird von manchen als Chef-Ökumeniker der Kirchenzentrale bezeichnet, nach eigenen Angaben hat er mit dem " ,theologischen Kerngeschäft' unserer Kirche" zu tun - sein Wort also Gewicht. Im Juni hat er ein sechsseitiges Schreiben verfasst zur "Situation der römisch-katholischen Kirche". Neben einigen diplomatischen Sätzen redet er Tacheles:
So heißt es etwa über den Vorsitzenden der (katholischen) deutschen Bischofskonferenz, den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, trocken: "Eine orientierende und prägende Kraft geht nicht von ihm aus." Schon seine überraschende Wahl vor anderthalb Jahren habe Zollitsch "als einen umstrittenen und daher geschwächten Kandidaten" gekennzeichnet. Schillernd ist auch die Aussage, die Bischofskonferenz habe sich im Frühjahr "in einer selten zu lesenden Klarheit" von den reaktionären Piusbrüdern distanziert.
Die katholische Kirche wird im Gegensatz zur evangelischen als deutlich geschwächt geschildert: "Die intellektuelle und positionelle Präsenz in gesellschaftlich relevanten und politisch heiklen Fragen wird in den letzten Jahren deutlich von der evangelischen Kirche dominiert und geprägt." Während die EKD sich strukturiert reformiere, "handelt im römisch-katholischen Bereich jede Diözese für sich und bestärkt damit ein eher diffuses Bild in der Öffentlichkeit", schreibt Gundlach. Das hat ihm zufolge auch Auswirkungen auf die EKD, denn "eine verunsicherte römisch-katholische Kirche schwächt das gemeinsam Christliche in einer Gesellschaft, die sich nach Geborgenheit und Zuversicht sehnt". Leicht überheblich heißt es: "Wie ein angeschlagener Boxer wird die katholische Kirche schwanken zwischen öffnenden Gesten und ruppiger Abgrenzung, zwischen ökumenischen Einladungen und profilierender Abgrenzung." Und gönnerhaft geht es weiter: Solches Ringen kenne man ja auch in der EKD, weshalb man "Verständnis und Geduld für die römisch-katholischen Geschwister aufbringen" werde.
Fast gehässig werden "beschämende Dimensionen" der katholische Weltkirche aufgezählt, etwa "Abgründe im Blick auf Missbrauch von Kindern durch Priester" und "europaweite Nachwuchssorgen und Mitgliederverluste". Außerdem legten "Fundstellen" aus früheren Werken des Papstes nahe, "dass der Vatikan eine Distanzierungspolitik von den wesentlichen Errungenschaften des 2. Vatikanums anstrebt". So klar äußert sich die EKD öffentlich höchst selten.
Der EKD-Pressesprecher Reinhard Mawick räumte in einer ersten Reaktion ein, dass manches zwar "überpointiert" sei, die Gundlach-Schrift aber "überhaupt nicht dem üblichen Ton" in der Führungsspitze seiner Kirche entspreche. Es sei eben ein internes Diskussionspapier gewesen - und die seien "immer provozierend". PHILIPP GESSLER
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