GORDON REPINSKI ÜBER KOMPROMISSE IN DER GESUNDHEITSPOLITIK
: Kollaps als Strategie

Es wird viel Geheimnistuerei betrieben an diesem Wochenende in Berlin – um nichts. Was in der Gesundheitspolitik momentan in konspirativen Runden zu einem glücklichen Ende geführt werden soll, hat kaum inhaltliche Substanz. Die Kopfpauschale wird es nicht geben, der Systemwechsel ist abgesagt. Dass es irgendwann nur noch um politische Gesichtswahrung bei den Beteiligten gehen würde, das war früh klar. Jetzt ist es so weit.

Dabei bräuchte das Gesundheitssystem dringend eine grundlegende Reform. Das Defizit des nächsten Jahres kann noch gerade kaschiert werden. Doch schon in den Folgejahren werden wegen des demografischen Wandels die Kosten explodieren.

So bedauerlich es ist – auf diesen Kollaps warten die Verantwortlichen im Moment in Berlin. Erst die Katastrophe, so die makabre Strategie, wird eine grundsätzliche Debatte über Gesundheit in Gang setzen und Reformen möglich machen. Selbst in der konservativ-liberalen Koalition wird dann die Kopfpauschale keine Rolle mehr spielen. Sie ist ein Relikt aus dem schwarz-gelben Projekt von 2005, das erst an die Macht kam, als die Wirtschaftskrise schon überall präsent war. In weiten Teilen der Regierung setzt sich vielmehr die Erkenntnis durch, dass in der aktuellen Situation die Wohlhabenden mehr in die Gemeinschaft einzahlen müssen. Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes? Längst wird sie auch in der FDP ergebnisoffen diskutiert. Und auch in der Gesundheitspolitik wissen die Regierungsparteien, dass es nicht akzeptabel ist, wenn sich Reiche durch eine Privatversicherung aus der größten Errungenschaft des Sozialstaats herauskaufen können. Eine Art Bürgerversicherung, umgesetzt von Schwarz-Gelb? Die Sensation kann ab dem nächsten Jahr nicht mehr ausgeschlossen werden.

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