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Archiv-Artikel

Und er bewegt sich doch

Ein deutlich um Besserung bemühter Ronaldo hilft einem erneut blassen Brasilien zu einem 2:0-Erfolg gegen Australien

VON THOMAS WINKLER

Die Nachricht ist: Ronaldo stand auf dem Platz. Aber: Spielte er auch mit? Die Antwort: Doch, ja. Er gab sich Mühe, bot sich an, sprintete sogar bisweilen. Und: Dass Brasilien gestern gegen Australien mit 2:0 gewann, dazu trug der Superstar sogar seinen Teil bei.

Das Sorgenkind der brasilianischen Nation hatte vor dem Spiel noch einen Belastungstest absolviert, der nach Eigenaussage „sehr zufriedenstellend verlief“. Einigermaßen zufriedenstellend verlief denn auch der eigentliche Auftritt, Licht und Schatten wechselten sich beständig ab: Zwar vertändelte Ronaldo das erste Anspiel auf ihn, aber er war nach der harschen Kritik aus der Heimat sichtlich bemüht, sich mehr zu bewegen als in der ersten Partie gegen Kroatien. Schon in der dritten Minute legte er nach einem hübschen Kabinettstückchen für Kaka auf, der seinen Volleyschuss nur knapp verzog. In Minute 28 musste der australische Innenverteidiger Craig Moore seinen Zehn-Meter-Schuss abblocken. Später allerdings schlug er in aussichtsreicher Position ein kreisklassenwürdiges Luftloch (37.). Ronaldos bester Moment kam in Minute 49, als er an der Strafraumgrenze von Ronaldinho angespielt wurde, die australischen Verteidiger mit zwei Übersteigern narrte und quer auf Adriano legte, der zum 1:0 flach ins rechte Eck schoss. Mit der Vorlage allerdings hatte der plötzlich so bewegungsfreudige Pummel seine Kraft aufgebraucht, tauchte anschließend unter und wurde in der 72. Minute ausgewechselt.

Brasiliens Trainer Carlos Alberto Parreira hatte seiner Stammformation eine neue Chance gegeben und exakt dieselbe Elf aufs Feld geschickt wie im ersten Spiel gegen Kroatien. Kaká, gegen die Kroaten einziger Brasilianer in Normalform und Schütze des 1:0-Siegtors, hatte versprochen, die „Selecão“ werde sich „bestimmt steigern und den Fans ein gutes Spiel liefern“. Auch Bayern-Profi Lucio hatte angekündigt, die Brasilianer wollten ihr „ganz großes Potential abrufen“.

Das gelang nur teilweise: Gegen rustikal verteidigende Australier, die zumindest die Foul-Statistik mit 25:9 anführten, konnten sich die Brasilianer zwar ein optisches Übergewicht erspielen, aber auch gegen den 42. der Fifa-Weltrangliste blieb der versprochene Zauber aus. Ganz im Gegenteil: Nach dem 0:1-Rückstand wurden die Australier mutiger, spielten sogar überlegen und waren dem Ausgleich zeitweise näher als der Weltmeister der endgültigen Entscheidung. Harry Kewell verfehlte überhastet das leere Tor, als ihm der brasilianische Keeper Dida den Ball vor die Füße fallen ließ (57.), Mark Viduka hob den Ball knapp über den Kasten (86.). Immer wieder musste das Glück den Brasilianern zur Seite stehen, bis der eben eingewechselte Fred zum entscheidenden 2:0 abstauben konnte.

Trainer Guus Hiddink hatte überraschend seine Leistungsträger Moore, Tim Cahill und Vince Grella aufgestellt. Im Vorfeld war spekuliert worden, dass der niederländische Coach auf die mit Gelb aus dem Auftaktsieg gegen Japan (3:1) vorbelasteten Akteure verzichten würde, um keine Sperre für das abschließende und entscheidende Gruppenspiel gegen Kroatien zu riskieren. So nahmen die Australier die unverdiente Niederlage denn auch unbeeindruckt hin. Denn schon vor dem Spiel wussten sie, in den Worten von Innenverteidiger Moore, dass „das Spiel gegen Kroatien unser eigentliches Endspiel ist. Das müssen wir gewinnen, wenn wir die nächste Runde erreichen wollen.“

In der stehen nach dem gestrigen Erfolg erwartungsgemäß vorzeitig die Brasilianer. Überzeugen aber konnte der große Favorit wieder nicht – trotz eines stark verbesserten Ronaldo. „Ein Spieler wie Ronaldo hat eine Vergangenheit, eine Gegenwart und eine Zukunft“, hatte sein Coach Parreira noch kurz vor dem Spiel verlautbart. Nach dem Spiel muss man allerdings sagen: Wenn die „Selecão“ nicht bald zeigt, zu was sie zweifellos fähig ist, hat auch Ronaldo bei diesem Turnier keine große Zukunft mehr.

Brasilien: Dida - Cafú, Lucio, Juan, Roberto Carlos - Kaká, Emerson (72. Gilberto Silva), Zé Roberto, Ronaldinho - Ronaldo (72. Robinho), Adriano (88. Fred) Australien: Schwarzer - Emerton, Moore (69. Aloisi), Neill, Chipperfield - Grella, Popovic (41. Bresciano), Culina - Cahill (56. Kewell), Sterjovski - Viduka Schiedsrichter: Markus Merk (Otterbach)Zuschauer: 66.000 Zuschauer (ausverkauft)Tore: 1:0 Adriano (49.), 2:0 Fred (90.)Gelbe Karten: Cafú, Ronaldo, Robinho / Emerton, Culina