: Schwerer Schlag gegen die Mafia auf Sizilien
Bei einer groß angelegten Polizeiaktion gegen die Führung der Cosa Nostra werden 45 Personen festgenommen
ROM taz ■ Mit der Verhaftung von 45 Bossen gelang der Staatsanwaltschaft Palermo gestern ein schwerer Schlag gegen die sizilianische Mafia. Gut zwei Monate nachdem der Bosse der Bosse, Bernardo Provenzano, ins Netz der Fahnder gegangen war, wurde nun „die aktuelle Führungsspitze von Cosa Nostra enthauptet“, wie Oberstaatsanwalt Piero Grasso erklärte.
Vorneweg landete ein Trio im Knast, das unmittelbar unter Provenzano die Mafia-Geschäfte in Palermo und auf Sizilien lenkte. Der Mediziner Antonino Cinà, der Provenzano auch als „Vertrauensarzt“ diente, der Bauunternehmer Franco Bonura und der Boss Nino Rotolo trafen sich regelmäßig in einer schäbigen Wellblechgarage am Stadtrand Palermos zu ihren Cosa-Nostra-Vorstandssitzungen.
Seit zwei Jahren war, dank ausgefeilter Abhörtechnik, die Polizei bei den Treffen dabei. Die letzten fehlenden Einblicke in die Mafia-Führungsstruktur und in die laufenden Geschäfte lieferten dann hunderte „Pizzini“, kleine Briefchen, die bei der Verhaftung Provenzanos vor zwei Monaten sichergestellt worden waren. Kronzeugen aus den Reihen der Mafia spielten diesmal keine Rolle.
Neben dem Führungstrio konnten gestern auch zahlreiche weitere Bosse von 13 „Familien“ und sechs „Mandamenti“ – das sind die Großbezirke, in die Cosa Nostra Palermo aufgeteilt hat – verhaftet werden. Cosa Nostra sei damit „in die Knie gezwungen worden“, bilanzierte Staatsanwalt Grasso. Vorgeworfen wird allen Verhafteten die Zugehörigkeit zu einer mafiösen Vereinigung und Schutzgelderpressung. Doch Grasso erklärte auch, die Mafiosi hätten Attentate geplant. Nicht zuletzt sei mit der Großaktion der Ausbruch eines neuen Mafia-Krieges verhindert worden. Denn nach der Verhaftung Provenzanos, „der ein Element des Gleichgewichts in einer immer hochexplosiven Situation war“ (Grasso), drohte ein Großkonflikt zwischen zwei rivalisierenden Mafia-Lagern.
Die zahlreichen abgehörten Gespräche der Mafiosi brachten offenbar auch neue Erkenntnisse über die Beziehungen, die Cosa Nostra zur Politik pflegt. In dem von der Staatsanwaltschaft ausgestellten Haftbefehl, der allerdings keine Namen von Politikern nennt, heißt es, dass die Mafia sich heute nicht mehr mit der Aufstellung „vertrauenswürdiger“ Kandidaten durch die Parteien bei den Wahlen begnüge, sondern dazu übergegangen sei, auf Kandidaten zu setzen, die dank direkter Verwandtschaftsbeziehungen zu den Bossen absolut zuverlässig seien. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa meldete gestern, für die Kommunalwahlen von Palermo im nächsten Jahr habe Cosa Nostra schon die eigenen Vertreter bestimmt, die auf den Listen „zweier Parteien des Berlusconi-Lagers“ antreten sollen. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob den bisher allgemein gehaltenen Hinweisen der Staatsanwaltschaft Palermo konkrete Anschuldigungen gegen Mafia-nahe Politiker folgen werden.
MICHAEL BRAUN
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