piwik no script img

Archiv-Artikel

„Die Privaten müssen Schwächere unterstützen“

Es ist nicht das Ende der privaten Krankenversicherungen, wenn sie am Gesundheitsfonds beteiligt werden, sagt der Experte Ulrich Meyer

taz: Herr Meyer, privat Versicherte sollen in Zukunft doppelt zahlen: ihre Beiträge und in den Gesundheitsfonds. Ist das gerecht?

Ulrich Meyer: Wir haben in Deutschland eine geradezu perverse Situation. Der Versicherungspflichtige an der oberen Einkommensgrenze muss in der gesetzlichen Krankenversicherung, der GKV, einen hohen Beitrag zahlen und unterstützt damit die Einkommenschwächeren. Wenn er etwas mehr verdient – über der Versicherungspflichtgrenze –, dann kann er sich aus dem Solidarsystem verabschieden. Das ist ein Unding: Es ist nicht einzusehen, dass er völlig davon befreit sein soll, die Schwächeren zu unterstützen. Deswegen ist es gut, dass er künftig auch in den Gesundheitsfonds einzahlen soll.

Die privaten Krankenversicherungen, die PKV, sagen dagegen, sie subventionierten das Gesundheitssystem bereits mit 9,5 Milliarden Euro.

Das ist so falsch. Es ist richtig – so zumindest laut einer Studie der PKV, dass die privat Versicherten jährlich 9,5 Milliarden Euro mehr zahlen. Dafür aber bekommen sie auch mehr Leistungen: Der Arzt unterhält sich mit dem privat Versicherten beispielweise länger. Es stimmt zwar, dass die PKV das gesetzliche System dort subventionieren, wo es keine Mehrleistung gibt – bei einer Ultraschallaufnahme etwa. Aber insgesamt gesehen ist es eher umgekehrt: Die gesetzlichen Versicherungen subventionieren die Privaten.

Inwiefern?

Die PKV kann einen Kunden ablehnen. Wenn er etwa zucker- oder asthmakrank ist, wird sie ihn nicht annehmen, weil er sie zu teuer kommt. Die GKV ist dazu verpflichtet, jeden aufzunehmen. Die Schwerkranken sind also überwiegend gesetzlich versichert. Das heißt, die Gesamtheit der gesetzlich Versicherten trägt die Last derer, die zu krank sind, um von der PKV genommen zu werden. Das stellt eine massive Subventionierung der privat Versicherten dar.

Die Klientel der Privaten wird auch schrumpfen, weil die Versicherungspflichtgrenze hochgesetzt werden soll. Bedeutet dies das Ende der PKV?

Die PKV wird immer weiterbestehen, so wie in anderen Ländern auch: als Zusatzversicherung. 18 Millionen Kunden hat sie in Deutschland bereits. Und es werden im Zuge weiterer Gesundheitsreformen noch mehr werden. Ob die PKV als Vollversicherung bleibt, das ist eine politische Entscheidung.

INTERVIEW: SASCHA TEGTMEIER