: Homophobie bleibt ganz legal
Lettlands rechte Mehrheit kippt das Verbot der Benachteiligung aufgrund sexueller Orientierung aus dem neuen Antidiskriminierungsgesetz – mit Hilfe der Grünen
STOCKHOLM taz ■ Exhibitionisten, die demnächst nackt vor dem Freiheitsdenkmal in Riga Wache schieben oder in den städtischen Omnibussen die Fahrausweise kontrollieren, Pädophile, die sich in Jobs als Kindergartenbetreuer einklagen, und Freunde der Sodomie, die als Tierpfleger im Zoo ihre sexuelle Erfüllung finden würden. Mit solch hanebüchenen Beispielen angeblich drohender Folgen stoppte Ende vergangener Woche das lettische Parlament einen Gesetzentwurf, der die Diskriminierung von Schwulen und Lesben auf dem Arbeitsmarkt verbieten sollte. Das stattdessen verabschiedete Gesetz schützt gegen Diskriminierung wegen Geschlecht, Alter, Behinderung, Religion, politischer Anschauung oder Nationalität. Die Worte „aufgrund sexueller Orientierung“ wurden ersatzlos gestrichen.
Führende PolitikerInnen, etwa Parlamentspräsidentin Ingrida Udre, hatten vergeblich appelliert, mit dem neuen Gesetz die von der EU aufgestellten Antidiskriminierungsrichtlinien zu erfüllen: „Wir können nicht einfach einige Kategorien ausschließen“, sagte Udre. Doch solchen Argumenten verschloss sich eine von der christdemokratischen „Ersten Partei“ angeführte konservativ-rechtspopulistische Mehrheit, zu der sich auch die Grünen gesellten. Die fischen bereits seit einiger Zeit in trüben populistischen Gewässern. Im Oktober stehen Parlamentswahlen an.
Wie ungenügend der Antidiskriminierungsschutz für Homosexuelle in Lettland ist, zeigt der Fall des offen schwulen Pfarrers Maris Sants, der Anfang Juni mit einer Klage gegen eine ihm verweigerte Anstellung als Lektor für Religionsgeschichte gescheitert war. Die Hochschule für Kultur in Riga hatte seine Bewerbung abgelehnt und nach Meinung Sants’ einen weniger qualifizierten Bewerber berücksichtigt. Die Hochschule behauptete nun plötzlich, schon vor Sants’ Bewerbung sei die Entscheidung für einen anderen Bewerber gefallen. Aufgrund der geltenden Beweisregeln wurde dieser erst Monate später vorgebrachte Einwand vom Gericht nicht hinterfragt. Auch bei anderen Bewerbungen hatte Sants, den Lettlands protestantische Kirche 2002 wegen seiner Homosexualität entlassen hatte, nur Absagen bekommen. „Es herrscht hier überall offene Diskriminierung“, sagt Sants.
Wegen der Intoleranz gegenüber Homosexuellen hatte das Europaparlament letzte Woche neben Polen auch Lettland kritisiert, wo es wieder heftige Auseinandersetzungen über das für den 23. Juli geplante Pride-Festival in Riga gibt. Letztes Jahr hatte ein Gericht ein von der Stadt verhängtes Verbot aufgehoben. Trotzdem fordern konservative Parteien erneut ein Verbot. Ministerpräsident Aigars Kalvitis argumentiert, dass Sicherheitsbedenken höherrangig seien als das Demonstrationsrecht.
Wie Antidiskriminierungsrecht in Lettland aber auch durchaus funktionieren kann, zeigt das erste gewonnene Gerichtsverfahren wegen ethnischer Diskriminierung. Ende Mai hatte die Romni Sanita Kozlovska erfolgreich gegen ein Textilgeschäft geklagt, das sie nach Überzeugung des Gerichts allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit nicht eingestellt hatte. Das Unternehmen muss jetzt Schadensersatz zahlen. Nachdem alle vorangegangenen Gerichtsverfahren wegen Diskriminierung seit der Unabhängigkeit Lettlands 1991 zum Nachteil der KlägerInnen ausgegangen waren, bewerten viele JuristInnen dieses Urteil als Durchbruch.
REINHARD WOLFF