: Gegen die Herrschaft des Waschbetons
Barbara Hartz-Bentrups Buch über „Private Gärten in Bremen“ ist zum Überraschungs-Bestseller geworden. Warum?
taz: Bremen ist für seinen Bürgerpark bekannt und für den Streit um den Eintritt zum Rhododendronpark. Auch die Umwandlung der Wall-Anlagen in „öffentliche Spaziergänge“ sorgte – zumindest vor 200 Jahren – für Aufsehen. Warum fokussieren Sie ausgerechnet auf Privatgärten?
Barbara Hartz-Bentrup: Das ist ein Teil der Bremer Kulturgeschichte, der nur bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts bearbeitet war. Nur durch die Dokumentation der frühen Gartengeschichte ist zum Beispiel bekannt, dass sogar die Bremer Raumfahrtindustrie auf der im 17. Jahrhundert vorgenommen Anlage der Neustädter Gärten fußt: Die Physikalische Gesellschaft hatte ihren ersten Sitz in einem Gartenpavillon. Dort trafen sich die Denkerzirkel, zu denen der Astronom Olbers gehörte.
Welche Quellen hatten Sie?
Anfang des Jahrhunderts hatte Bremen die Nase vorn, hier arbeiteten überregional bekannte Architekten wie Christian Roselius und Rudolf Bergfeld – deren Arbeit ist relativ gut dokumentiert. Damals gab es auch noch Zeitschriften wie „Die Gartenschönheit“ und Kunstmagazine stellten ebenfalls Gärten vor. Trotzdem war es manchmal Detektivarbeit. Es war zum Beispiel reiner Zufall, dass ich im Ostertorviertel einen der Gärten von Friedrich Gildemeister gefunden habe. Für die späteren Jahrzehnte konnte ich Zeitzeugen befragen, natürlich auch die aktuell arbeitenden Büros.
Wer leistet sich heutzutage einen Gartenarchitekten?
Leute, die statt in die zweite Küche und das dritte Bad in den Garten investieren. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung.
Oder Luxus?
Es geht um Kultur – man gestaltet sich ja auch seine Wohnräume, indem man Fachleute heranzieht und Kunstwerke erwirbt.
Bremen hatte die bundesweit erste Stadtbiotop-Kartierung. Dessen Autoren haben 1992 festgestellt, dass die nach 1960 in Bremen angelegten privaten Ziergärten eine nur „geringe bis mittlere Bedeutung für das Stadtbild“ haben, eine „sehr geringe“ für „naturnahe Vegetationsstrukturen“. Keine sehr schmeichelhafte Analyse.
Es ist in der Tat ein Armutszeugnis. Die Dekade der 60er ist von „Ordnung muss sein“ gekennzeichnet, da wären die Leute am liebsten mit der Nagelschere in den Garten gegangen. Und in den 70ern kam der Waschbeton, die Steinflächen wuchsen.
Der typische Bremer Garten ist ein gestrecktes Handtuch. Was kann man mit so einer Form anfangen?
Man muss Perspektive reinbringen oder mit Formen arbeiten. Von Brenda Eubank-Ahrens gibt es das Beispiel eines sehr schmalen und langen Gartens, 192 Quadratmeter groß: Der besteht nur aus Kreisen.
Was kennzeichnet die Bremer Gartenkultur außerdem?
Generell verlief die Entwicklung wie überall im Land. Allerdings sind die Gärten woanders im Winter wesentlich durchsichtiger. Das liegt am Bremer Immergrün, zum Beispiel den Rhododendren.
Viele Gartenbesitzer nutzen das als Zaunersatz.
Da kommt man sich leicht gefangen vor. Ich rate gern zu überlegen, ob die Grundstücksgrenzen durchlässiger gestaltet werden können – dann wirkt der Garten größer.
Was unterscheidet Sie als Gartenarchitektin von einer Gärtnerin?
Es gibt eine Fülle von Baustoffen, heutzutage bis hin zu LED-Bändern, aus denen ich zusammen mit den Pflanzen ein Ganzes entwickle. Deswegen war für Leute wie mich „Gartenkünstler“ lange Zeit ein ernsthafter Begriff.
Heute gibt es das „Gartencenter“.
Gartencenter schaffen die Illusion, dass allein mit ihren Waren der Garten perfekt wird. Aber damit hat man noch keine Form und keine Ästhetik. Dabei steckt auch im kleinsten Garten das Potenzial zu einem Kunstwerk.
Interview: HB
„Private Gärten in Bremen. Ein Jahrhundert Gartenarchitektur 1905 bis 2005“ ist bei Schünemann erschienen