: Politik von der Richterbank
US-JUSTIZ Mit der Berufung von Elena Kagan ändert sich für Obama vorerst nichts
Berlin taz | Es war Samuel Alito, der letzte noch von Präsident George W. Bush in den Obersten Gerichtshof der USA berufene Richter, der die Mehrheitsmeinung verfasste, nach der das Schusswaffenverbot der Stadt Chicago und des Vorortes Oak Park dem Zweiten Verfassungszusatz widersprechen. Hätte der konservative Präsident nicht in seiner zweiten Amtszeit durch den Rücktritt der einst von Ronald Reagan berufenen, aber in ihren Urteilen eher liberalen Sandra Day O’Connor die Möglichkeit bekommen, die Mehrheitsverhältnisse zu ändern – das Urteil wäre nie zustande gekommen. Aber mit Samuel Alito setzte Bush einen überzeugten Konservativen ein – und der wird seiner Rolle gerecht.
Auch Präsident Barack Obama hinterlässt Spuren im Obersten Gerichtshof. Der Tag des Waffenurteils war gleichzeitig auch der letzte Amtstag des mittlerweile 90-jährigen Richters John Paul Stevens. Der galt, obwohl 1975 vom republikanischen Präsidenten Gerald Ford ernannt, als linksliberal. Beim Waffenurteil findet sich sein Name unter der opponierenden Minderheitsmeinung, ebenso wie der seiner KollegInnen Ruth Bader Ginsburg und Stephen Breyer, beide von Präsident Bill Clinton ernannt, und Sonia Sotomayor, die im vergangenen Jahr von Barack Obama berufen wurde.
Obamas Kandidatin für die Stevens-Nachfolge ist die 50-jährige Elena Kagan. Ihre Anhörung im Senat begann am Montag. Dort war für sie schon einmal Endstation: 1999 hatte Bill Clinton die Anwältin als Richterin für ein Berufungsgericht in Washington vorgeschlagen – Kagan, die in den Jahren zuvor Posten in Clintons Regierung innegehabt hatte, scheiterte jedoch am scharfen Widerstand der damaligen republikanischen Mehrheit im Justizausschuss des Senats. Erst 2009 hatte Barack Obama die Juristin, die 2003 Dekanin der Harvard Law School geworden war, als erste Frau auf den Posten des Solicitor General berufen. Der Solicitor General vertritt die Bundesregierung vor dem Obersten Gerichtshof, wenn sie dort Partei in einem Rechtsstreit ist. Jetzt soll sie im Gerichtssaal die Seiten wechseln.
Die Mehrheitsverhältnisse werden sich mit Kagan nicht ändern. Das wäre für Obama nur dann möglich, wenn einer der fünf konservativen Richter durch Tod oder Rücktritt aus dem Amt scheiden würde. Doch bislang erfreuen sich Antonin Scalia und Anthony Kennedy, beide 76, Clarence Thomas, 62, und Samuel Alito, 60, genauso guter Gesundheit wie der Vorsitzende Richter John Roberts, 65.
Die Konservativen, die vor dem Wechsel von O’Conner zu Alito stets gegen „Richter-Aktivisten“ gewettert hatten, die von der Richterbank aus Politik machen würden, dürften wenig unversucht lassen, um den Obersten Gerichtshof in seiner derzeitigen Konstellation weiter zu Grundsatzurteilen zu bewegen.
BERND PICKERT