: Von der syrischen Antike ins Moor
Mamoun Fansa ist Direktor des Oldenburger Landesmuseums „Natur und Mensch“. Teile der Stadt sträubten sich anfangs gegen die Berufung eines gebürtigen Syrers. Jetzt wurde er für die neue Dauerausstellung seines Hauses ausgezeichnet
von Klaus Irler
Es hätte sein können, dass an diesem Montag das hellblaue Anzug-Hemd einmal nicht frisch gebügelt ist. Dass vielleicht ein wenig Müdigkeit aus den Augen rausschaut und alles etwas langsamer geht, langsamer, aber mit jener entspannten Euphorie in den Gesichtszügen, mit der sich Doktoranden am Tag nach der Abgabe ihrer Doktorarbeit im Kaffeehaus einen Sekt zum Frühstück gönnen.
Aber Mamoun Fansa ist nicht so. Zwar dauerte sein Projekt elf Jahre, aber an diesem Montag steht er bei der Vorzimmer-Dame in der Tür, hört, wer demnächst eine Privatführung wünscht und was für Termine noch anstehen an diesem Tag. Er wird sie schwerlich alle wahrnehmen können, aber Fansa ist einer, der dann lieber in den Laufschritt übergeht, anstatt Zeit mit Umorganisation zu verlieren. Und der nicht so viel darüber nachdenkt, was gewesen ist – jedenfalls, wenn es sich um seine eigene Vergangenheit dreht.
Vergessen scheint an diesem Montag, dass vor gerade mal 24 Stunden noch die Ehrengäste im Haus waren, die Kollegen von den anderen Museen und Niedersachsens Kulturminister Lutz Stratmann. Gemeinsam eröffneten sie den letzten Teil der neuen Dauerausstellung im Landesmuseum Natur und Mensch. „Europaweit führend“ sei die Dauerausstellung nun aufgrund ihrer „künstlerisch fundierten Visualisierung“, steht im Redemanuskript des Kulturministers und dem Direktor Fansa sei zu danken für seine „Durchsetzungskraft“. Durchsetzungskraft deswegen, weil er all die Jahre am Ball geblieben ist bei seinem Langzeitprojekt, die Dauerausstellung des Landesmuseums Natur und Mensch in Oldenburg grundlegend umzukrempeln. Durchsetzungskraft vielleicht auch, weil Fansa nicht nur Direktor des Landesmuseums ist, sondern auch gebürtiger Syrer – eine Kombination, die manchen in der Regierung nicht immer leicht gefallen ist.
Drei Tische gibt es im Büro von Mamoun Fansa, einen kleinen mit Computer, einen großen für Besprechungen und einen weiteren kleinen direkt an der Tür für die Gäste, die auch Kekse und Getränk zu sich nehmen. Neben seinem Schreibtisch hängt der Grundriss von Aleppo, nicht als Stadtplan, sondern gezeichnet von Fansa selbst. Und entlang des Besprechungstisches reihen sich die Aktenordner, vielleicht fünf Meter lang, in mehreren Etagen. Fansa publiziert viel, ist Honorarprofessor an der Carl von Ossietzky-Universität in Oldenburg und Vorsitzender der Europäischen Vereinigung zur Förderung der Experimentellen Archäologie.
Soweit die Wissenschaft. Was die umgekrempelte Dauerausstellung betrifft, ist es aber die Kunst, mit der Fansa seinem Haus eine eigene Note gegeben hat. Die Ausstellung behandelt die drei Themenbereiche Moor, Geest und Küste, aber statt Gebrauchsgrafikern zu nehmen, hat Fansa die Künstlergruppe Parameter aus München damit beauftragt, die Räume und Exponate zu gestalten. Ein Siedlungshaus aus dem 9. Jahrhundert vor Christus beispielsweise ist auf mehreren hintereinander gereihten Glasplatten dargestellt, auf denen jeweils der Querschnitt des Hauses gezeichnet ist. Oder Insekten im Moor, die auf ein x-faches vergrößert zwischen leicht abstrahierten, mannshohen Moorgewächsen auf den blau-grauen Dielen des Museums stehen. Kunst im engeren Sinne ist das zwar nicht. Aber eine außergewöhnlich liebevolle und ästhetisch ansprechende Gestaltung, das ist es.
Dass Fansa besonderen Wert auf die Art der Präsentation legt hat sicher damit zu tun, dass er selbst angefangen hat als Kunststudent, vor vielen Jahren an der Akademie in Allepo. Was ihn dann 1967 nach Deutschland geführt hat, war erstens der Ärger darüber, dass man ihm ein Stipendium verweigert und statt dessen „einen anderen genommen hat, weil der Mitglied der Baath-Partei war“, so Fansa. Außerdem sollte sein Jahrgang zum Sechstage-Krieg eingezogen werden und vor sowas, sagt Fansa, „bin ich immer weggelaufen“. Von Allepo aus reiste er mit gefälschten Ausreisepapieren per Orient-Express nach Istanbul und von da weiter nach München. „Am 26. Juni bin ich dann 39 Jahre in Deutschland“, sagt Fansa. Das Datum hat er exakt im Kopf, als wäre es ein Feiertag.
In Deutschland studierte Fansa erst Kunst und Design an der Fachhochschule Hannover, arbeitete nebenher als Kunsterzieher an einer Sonderschule und sattelte dann um auf Archäologie. Nach Oldenburg kam er 1987 zunächst als Leiter der Archäologischen Abteilung und als es 1995 darum ging, wer neuer Direktor werden sollte, formierte sich in Oldenburg eine Fraktion quer durch alle Parteien, die meinte: Fansa nicht. Zwar sprach seine Qualifikation für ihn, aber einen Syrer an der Spitze des Landesmuseums, das konnten sich manche in Oldenburg nicht vorstellen. Für Fansa ist das heute nur noch eine „alte Geschichte“, lange her und vorbei. „Der Mensch hat von Natur aus ein Problem, mit Fremdem umzugehen“, sagt er. „Das ist ganz normal. Es darf nur nicht extrem werden.“
Auch die Geschichte aus dem Oktober 2001 ist für Fansa heute „erledigt“. Damals standen plötzlich Beamte des Bundeskriminalamts bei Fansa vor der Tür, auf der Suche nach islamistischen Schläfern. Fansa zeigte seinerzeit eine Ausstellung über die Altstadt von Alleppo, in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, und bekam deswegen die Frage gestellt, welche Beziehung er zu dem Todespiloten vom 11. September, Mohammed Atta habe.
Atta hatte nämlich seine Diplomarbeit ausgerechnet über die Altstadt von Alleppo geschrieben. „Als ich die Beamten gefragt habe: ‚Wie kommen Sie auf diese Idee?‘, haben die gesagt, ein Oldenburger habe sie auf die Idee gebracht. Das war das, was mich damals eigentlich gestört hat“, sagt Fansa. Und wischt die Erinnerung mit einer Handbewegung aus der Welt: „Ich will hier leben, will was leisten und da kann ich nicht so empfindlich sein. Ich habe da eine Elefantenhaut.“
Eingeschüchtert haben diese Vorfälle den Herrn Fansa in der Tat nicht. Als Niedersachsens Kulturminister Lutz Stratmann 2004 die Zuschüsse kürzen wollte, mobilisierte Fansa die Öffentlichkeit dagegen, so gut es ging. Politiker und „andere Leute, die keine Ahnung haben“ hätten damals zu ihm gesagt: „Bei Euch liegt so viel Krempel rum, den ihr verkaufen könntet.“ Das ärgerte Fansa maßlos. Seine Antwort war die Ausstellung „Kunst oder Krempel?“, bestückt mit Exponaten aus dem Magazin des Museums. Letztlich, so Fansa, habe das Museum dann „das Geld wieder zugewiesen bekommen, das sie uns vorher genommen haben“.
Was auch daran liegen mag, dass die Besucherzahlen im Landesmuseum für Natur und Mensch seit Fansas Amtsantritt gestiegen sind: Aus jährlich maximal 45.000 vor 1995 wurden im vergangenen Jahr knapp 60.000. Zu tun hat das einerseits mit Sonderausstellungen, wie der aktuellen über „Saladin und die Kreuzfahrer“, andererseits aber mit der Umgestaltung des Museums. Ende 2005 ist Fansa für seine Umgestaltung der Dauerausstellung von der Kulturstiftung Heinz und Brigitte Schirnig ausgezeichnet worden. Den Vorsitz der Jury hatte die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck, der Initiator der Stiftung ist der frühere Direktor des Niedersächsischen Landesmuseums in Hannover, Heinz Schirnig. Der sagt, man habe nicht Mainstream-Arbeit auszeichnen wollen, sondern gezielt Leute, die Akzente setzen. Bei Fansa sei dies, die „Brücke zwischen Bildender Kunst und der Fachwissenschaft zu schlagen. Das gibt es in Europa nicht. Man würde anders auf Fansa aufmerksam werden, wenn er in Berlin oder Hamburg säße“.